Valhalla: Thriller (German Edition)
»Was ich will? Nun, hier sind ein paar Leute, die dich gerne kennenlernen wollen. Das sind Hannah, John, Roberto und Hiroki, allesamt gute Freunde von mir. Sie würden gerne mit dir über dein Erlebnis auf Nordostland reden. Hast du Lust, ich spendier dir auch noch was von deinem Gift. Was trinkst du?«
Arkadij sagte nichts und blickte sie stattdessen der Reihe nach an. Sein Ausdruck war nicht eben freundlich. Trotz seiner schweren Zunge schien er recht klar im Kopf, was bei seinem offensichtlichen Pegel erstaunlich war.
»Nichego. Hab genug.«
»Wie wär’s stattdessen mit einem kleinen Chawtschick? Oder einem Kaffee? Irgendwas, damit du wieder nüchtern wirst. Glaub mir, Arkadij, die Leute wollen dir nichts Böses. Sie sind ehrlich interessiert an deiner Geschichte. Also, was darf ich dir bestellen?«
Unter den buschigen Brauen arbeitete es gewaltig.
»Wer seid ihr?«, fragte er mit schwerem russischen Akzent.
»Wissenschaftler. Ein Filmteam vom National Geographic«, sagte John. »Wir haben den Auftrag, einen Beitrag über die arktische Nacht zu machen und dabei Polarlichter zu filmen. Wir haben von dir und deiner Begegnung gehört, und da dachten wir, es wäre keine schlechte Idee, der Sache nachzugehen. Macht sich immer gut, wenn man unheimliche oder spannende Geschichten in so einen Beitrag mit einbauen kann, das steigert die Quote. Wie sieht’s aus, hast du Lust, uns etwas darüber zu erzählen?«
Arkadij blickte sie weiterhin misstrauisch an. Am längsten ruhte sein Blick auf Hannah. Irgendwann hob er den Finger und deutete auf sie. »Habe ich dich nicht schon irgendwo mal gesehen?«
»Keine Ahnung«, erwiderte Hannah mit schnellem Seitenblick zu John. »Vielleicht im Fernsehen. Ich habe schon die eine oder andere Sendung in der BBC moderiert.«
»Aber Engländerin bist du keine, oder?«
»Nein, ich komme aus Deutschland, lebe aber jetzt schon seit einiger Zeit in den USA .«
»Hm.« Arkadij nickte. Offenbar schien er die Notlüge zu schlucken. »Und jetzt seid ihr hier, um Polarlichter zu filmen?«
»Das war die Idee, ja«, sagte Hannah. »Aber wir haben generell vor, ein Porträt von Spitzbergen zu zeigen. Die lange Dunkelheit, das Weihnachtsfest, die Menschen, wie sie leben, arbeiten und feiern, und die Tiere – einfach alles. Na ja, und dann hörten wir von deiner Geschichte mit dem Bären und dachten uns: Mensch, das wäre doch eine tolle Story: Eisbärenwilderei, ein spannendes Thema …«
»Es waren keine verfickten Wilderer«, brüllte Arkadij auf einmal und so laut, dass sich die halbe Kneipe zu ihnen umdrehte. »Glaubt ihr, ich könnte einen Menschen nicht von einem Ungeheuer unterscheiden? Wieso will keiner von euch Arschgeigen mir das glauben? Ich habe ein Untier gesehen, ein wirkliches und wahrhaftiges Monster … ein Monster … verdammt noch mal.«
Seine Stimme wurde leiser und brach schließlich in sich zusammen. Den Kopf auf die Arme gelegt, krachte er auf den Tisch und schluchzte leise in sich hinein. Dabei murmelte er irgendwelche unverständlichen Sachen in seinen Bart. Die Leute zuckten die Schultern, lachten und nahmen ihre Gespräche wieder auf.
Arkadij tat Hannah leid. Sie legte ihm ihre Hand auf die Schulter und versuchte, ihn zu beruhigen. »Es tut mir leid«, sagte sie. »Ich habe das nicht so gemeint. Wenn du sagst, es war ein Monster, dann war das so. Das mit den Wilderern ist mir nur so rausgerutscht.«
»Das sagst du doch nur einfach so«, kam es von unten herauf. »Du glaubst mir nicht, ebenso wenig wie die anderen. Keiner glaubt mir. Dabei habe ich es selbst gesehen.«
»Ich verstehe, wie schwer das sein muss, ich habe selbst schon so etwas erlebt«, sagte Hannah. »Aber es gibt einen Weg, wie du es diesen Idioten zeigen kannst.«
Das bärtige Gesicht tauchte wieder auf. Die blassen Augen schwammen wie Silberzwiebeln im Glas. Trotzig wischte Arkadij über sein Gesicht. »Wie?«
»Indem du uns dorthin mitnimmst. Wir haben hochempfindliche Kameras mit langen Brennweiten. Wir könnten uns anschleichen, uns auf die Lauer legen und versuchen, das Monster, oder was immer es war, zu filmen. Wenn uns das gelingt, hätten wir einen Beweis – und du könntest es allen hier heimzahlen.«
Arkadij legte die Stirn in Falten und dachte nach. Hannah konnte sehen, wie es dahinter ratterte und arbeitete. Auf einmal lichtete sich der Blick. Die Augen wurden klar, ein Lächeln erschien.
»Meinst du, das ginge?«
»Aber gewiss. Wenn dort draußen etwas ist, dann
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