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Valley - Tal der Wächter

Titel: Valley - Tal der Wächter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Stroud
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klein gewachsener, gedrungener Fremder mit schwarzem Haar würde sofort auffallen, wenn er einfach so durchs Tor spazieren wollte. Also musste er sich irgendwie verstecken. Vielleicht in einem Karren, unter Mais, Gemüse, im schlimmsten Falle unter einer Fuhre Kuhmist …
    Hal gab sich einen Ruck. Ganz gleich, was, es musste sein! Hakons Gefolgsleute waren gewalttätig, grausam und argwöhnisch.Wenn sie ihn erwischten, würden sie ihn packen und am Pranger auspeitschen, noch ehe sie etwas von seinem Plan ahnten. Bei dieser Vorstellung ballte Hal die Fäuste. Wie dem auch sein mochte – bald würde er Olaf erschlagen und dann ginge in der Halle der Hakonssons das großes Wehgeschrei los!
    »Ist alles in Ordnung?«, fragte jemand munter. »Kann ich dir irgendwie helfen?«
    Hal blickte auf. Ein Mann war über die Hügelkuppe gekommen. Er war groß und kräftig und nicht mehr ganz jung. Das helle Haar hatte er zurückgebunden, den Bart kurz und unter dem Kinn gerade gestutzt. Seine Jacke hatte auf der Schulter orangerote Schlitze, was seine Familienzugehörigkeit deutlich zeigte. Sein bronzener Haarreif glänzte in der Morgensonne. Er hatte ein offenes, freundliches Gesicht und war vom Gehen ein wenig erhitzt.
    Hal räusperte sich. »Äh, nein... alles bestens.«
    »Ich hatte den Eindruck, du hast irgendein Problem. Das darf nicht sein – wir haben schließlich Hakonstag!« Der Mann ließ ein Bündel von seinem Rücken gleiten und wischte sich mit dem Ärmel die Stirn. »Ganz schön heiß heute.Wo kommst du denn her?«
    Hal zögerte. »Na ja...«
    »Du bist nicht von hier, das sieht man gleich.«
    »Nein...«
    Der Mann lächelte. »Von den Ketilssons, hab ich recht? Oder von den Egilssons? Nach dem Frühjahrshochwasser sind von dort etliche Bettler zu uns heruntergekommen.«
    »Von den Egilssons«, erwiderte Hal auf gut Glück. »Und entschuldige bitte, aber ich bin kein Bettler.«
    »Ach nein?« Der Mann trat einen Schritt zurück. »Du bist doch hoffentlich nicht krank? Wenn du die Flecksucht hast, musst du zu Hause bleiben!«
    »Ich bin weder ein Bettler noch bin ich krank. Ich bin bloß ein wenig müde, denn ich habe einen langen Weg hinter mir.« Hal deutete auf seine schmutzigen Kleider.
    »Dann sei herzlich willkommen auf dem Besitz der Hakonssons!« Der Mann klopfte ihm wohlwollend auf die Schulter. »Ich heiße übrigens Einar. Hast du Hunger? Du siehst aus, als könntest du einen Happen vertragen.«
    »O ja, gern.« Als Hal zusah, wie der Mann Brot, Käse und einen Weinschlauch aus seinem Bündel holte, lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er konnte sich kaum beherrschen, seinem neuen Bekannten die Sachen aus der Hand zu reißen, und er aß und trank hastig.
    »Du bist ja ganz schön ausgehungert«, stellte Einar fest. »Anscheinend behandelt man euresgleichen bei den Egilssons nicht allzu gut. Hier bei den Hakonssons verteilt unser Familienoberhaupt Hord in schweren Zeiten Getreide an alle Bedürftigen. Auf diese Weise kommen wir selbst in mageren Jahren gut über die Runden.«
    Hal nickte, brummte etwas Zustimmendes und sog gierig am Weinschlauch.
    »Doch, Hord ist ein bedeutender Mann und ein vorbildliches Familienoberhaupt«, fuhr Einar fort. »Er ist tüchtig und stark, mutig und entschlossen. Unter seiner Führung ist unser Haus wieder zu Wohlstand gekommen. Man braucht sich bloß umzusehen. Kühne Ideen hat er, dieser Hord, und er ist so tatkräftig wie die alten Helden!« Er zwinkerte Hal verschmitzt zu. »Aber wir können ja nicht alle solche bedeutenden Persönlichkeiten sein, stimmt’s? Jeder muss seinen eigenen Weg gehen, auch wenn er noch so unbedeutend ist. Und was führt dich hierher, wenn ich fragen darf?«
    Hal schlang das letzte Stück Käse herunter und antwortete, ein bisschen außer Atem: »Ich... ich wollte mir bloß dieses berühmte Haus ansehen und dachte, vielleicht finde ich dort ja Arbeit.«
    »Tja, was die Arbeit betrifft, kann ich dir nicht weiterhelfen, aber wenn du das Haus der Hakonssons besichtigen willst, hast du dir den richtigen Tag ausgesucht. Heute jährt sich nämlich der große Sieg unseres Ahnen am Troldfelsen! Da gibt es Troldwerfen, das Bier fließt in Strömen und...« Einar wies schwungvoll auf das gewaltige Gebäude. »Weißt du was? Komm doch einfach mit und sieh es dir selber an.«
    »Lässt man mich denn überhaupt rein?«, fragte Hal erstaunt.
    »Na klar! Warum auch nicht? Wer in freundlicher Absicht kommt, ist herzlich willkommen. Selbst wenn er so zerlumpt

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