Vampir-Legende
nicht so klassisch reagiert, wie wir es kennen. Es ist durchaus möglich, daß wir mit etwas völlig Neuem konfrontiert worden sind. Wie dem auch sei, diese eine Spur ist zunächst unterbrochen worden.«
Douglas nickte heftig. »Und sie hätte etwas gewußt«, flüsterte er, »verdammt noch mal, sie hätte uns Auskünfte geben können! Um noch einmal auf deine Theorie zu kommen, John, kannst du dir denn vorstellen, daß sich diese Person irgendwann erheben und auf die Suche nach Blut gehen wird, wenn sie tatsächlich von einem Vampir angegriffen worden ist? Rechnest du damit? Es würde den Regeln entsprechen.«
»Ja, das stimmt.«
Meine Antwort konnte ihn nicht zufriedenstellen. »Und? Willst du nicht weitersprechen?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich werde einen Versuch starten. Sollte die Tote ein klassisches Vampir-Opfer sein, wird sie auf mein Kreuz reagieren. Auch wenn sie noch im Zustand der Lethargie liegt, würde das Kreuz ihr die endgültige Erlösung geben. Deshalb muß ich nochmals zurück und es probieren.«
»Okay, tu das.«
Es bereitete mir keinen Spaß, wieder den anderen Raum zu betreten, der eine Stätte des Todes war. Doch an gewissen Dingen kommt man eben nicht vorbei, und so blieb mir nichts anderes übrig, den Schlafraum wieder zu betreten, noch einmal das Grauen optisch zu erleben, aber ich konzentrierte mich einzig und allein auf das Gesicht der Frau, das kaum in Mitleidenschaft gezogen worden war. Die Haut war bleich wie frisch gefallener Schnee, das Haar schwarz, es stand in einem scharfen Kontrast zu dieser Blässe.
Ich bemühte mich, nicht in die Blutpfützen zu treten und blieb neben dem Bett stehen.
Das Kreuz hielt ich bereits in der Hand. Der Kopf lag etwas schief, das Gesicht war mir zugewandt, und aus dem halb geöffneten Mund strömte kein Atemhauch mehr.
Das Kreuz lag auf meiner Handfläche. Es kam mir plötzlich schwer vor.
Den Grund wußte ich selbst nicht. Vielleicht lag es an der gesamten Situation, die so schrecklich geworden war. Uns hatte sich die Tür zu einer Hölle geöffnet, und auch wir waren keine Supermänner, die so etwas einfach abschüttelten.
Für einen Moment schwebte das Kreuz über der Stirn, als ich es an der Kette hielt.
Dann sank es nach unten.
Es berührte die Haut.
Wenn diese Frau zu einer Blutsaugerin geworden wäre, hätte sie jetzt reagieren müssen, weil ihr das Kreuz das untote Leben aus dem Körper getrieben hätte.
Es geschah nichts.
Ich hörte kein Zischen, kein Abdruck war auf der Stirn zu sehen, und auch der Körper zuckte nicht. Steif blieb er liegen.
Ich wußte nicht, ob ich mich erleichtert fühlen sollte oder nicht. Es war alles so verdammt anders geworden. Da die tote Person nicht auf das Kreuz reagiert hatte, mußte ich davon ausgehen, daß sie es mit keinem Vampir zu tun gehabt hatte.
Trotzdem wollte mir dieser Gedanke nicht gefallen. Ich wußte selbst nicht so recht, was mich daran störte, es war wohl das Grundmuster. Ich kam damit nicht zurecht. Ein normaler Killer würde nicht so handeln, es sei denn, er befand sich in einem regelrechten Blutrausch. Hier mußten Killer am Werk gewesen sein, die ich mit normalen Maßstäben nicht messen wollte. Sie hatten sich bestimmt Blut geholt.
Als ich von der Bettkante hochkam und mich drehte, sah ich Suko und den G-man in der offenen Tür. Sie hatten mich beobachtet und warteten auf meine Reaktion.
Ich hob die Schultern.
Das gefiel Douglas nicht. »Du weißt es also noch immer nicht, John, nehme ich an.«
»So kann man es nicht sagen.«
»Wie dann?«
»Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob diese Person wirklich von einem Vampir angefallen worden ist. Das klassische Muster stimmt nicht, doch es muß ja nicht so sein. Auch Vampire handeln nicht immer nach denselben Verhaltensmustern. Wir können es hier durchaus mit einem Vampir zu tun gehabt haben, einem Untoten, der sich in einem gewaltigen Blutrausch befand und auf andere Regeln nicht achtete.; Gehen wir davon aus, daß der Killer nur Blut gebraucht hat. Daß er schnell gewesen ist, daß er sich keine Zeit genommen hat, daß er sich auf sein Opfer stürzte und es grausam umbrachte, aber das Blut bekam. Genau das ist auch eine Form oder Abart des Vampirismus.«
»Verstehe«, sagte Douglas. »Dann hast du dich von dem Gedanken an den klassischen Blutsauger befreit.«
»In diesem Fall schon.«
Abe drehte sich um.
Er ging als erster zurück. Wir folgten ihm. Neben dem Telefon blieb er stehen, die Hand auf den
Weitere Kostenlose Bücher