Vampirblut (German Edition)
Mensch. Ein Mensch vom Blut der Miwok. Du bist vom Blut der Miwok und du hast ihre Kräfte.“
Ein Loch klaffte in meiner Brust auf. Ich eine Anführerin? Eine Anführerin von was? Plötzlich wurde es mir klar. Das hatte die Zigeunerin gemeint. Dein Schicksal wird sich erfüllen. Du bist wahrlich auserwählt. Das war mein Schicksal? Der Kampf gegen Dämonen und die Mächte der Finsternis? Mein Magen krampfte sich schmerzhaft zusammen und ich schaffte es gerade noch bis zum Spülbecken, bevor ich meine Lasagne wieder erbrach. Körperlich völlig am Ende sank ich auf den Boden der Küche.
Ich fand mich im Yosemite Nationalpark wieder. Die Bäume rings um mich herum waren so hoch, dass man den Himmel nicht sehen konnte. Und doch war da etwas, was mir sagte, dass das nur ein Traum war, ein wirklich realer Traum, aber ein Traum. Trotz der hohen Bäume umgab mich gleißendes Sonnenlicht und brannte auf meiner Haut so sehr, ich wollte nur noch in die Schatten der Bäume flüchten. Aber da war nirgends Schatten, wohin ich auch lief.
William hatte sich lässig an einen Baumstamm gelehnt. In seiner Hand hielt er ein Kreuz – mein Kreuz. Seine Augen waren tiefschwarz und sein Gesicht schmerzverzerrt. Aber nicht wegen der Sonne. Ihm schien das Sonnenlicht nichts auszumachen. Seine Schmerzen rührten eindeutig von seinem knurrenden Magen her und dem Duft, den mein Blut verströmte, das aus einer kleinen Wunde an meinem Hals hervorquoll.
Neben mir erschien eine Frau. Ich drehte mich zu ihr um. Es war die Zigeunerin, die mir das Kreuz geschenkt hatte. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, ihre Lippen bewegten sich, doch ich verstand nicht, was sie mir sagen wollte.
Ich blickte wieder auf William, der immer noch dastand und mich beobachtete. Dann wandte ich mich wieder der Frau neben mir zu. Wieder öffnete sie den Mund und dieses Mal verstand ich jedes Wort. „Dein Schicksal wird sich bald erfüllen. Du bist wahrlich auserwählt. Nutze dein Geschenk sinnvoll.“
Ich schrie so laut ich konnte. Ich wollte ihr sagen, dass ich nicht auserwählt sein wollte. Dass ich mich der Aufgabe nicht stellen konnte, aber die Gestalt der Frau verschwamm, bis sie schließlich nicht mehr zu sehen war. Auch William war verschwunden, an seiner Stelle stand Echnaton.
Schreiend kam ich wieder zu mir.
Meine Großmutter kniete neben mir. Ängstlich rüttelte sie an meinen Schultern. „Josie? Josie, bist du wieder wach?“
Die Geschichte meiner Großmutter und der grauenerregende Tag, den ich heute erlebt hatte, hatten ihren Tribut gefordert. Ich war ohnmächtig geworden. „Es geht schon wieder“, stammelte ich. Langsam hievte ich mich auf. Meine Beine waren wacklig, aber sie versagten nicht ihren Dienst.
„Geh schlafen, Josie. Es tut mir leid, dass ich dir einen solchen Schreck eingejagt habe. Das war der Grund, warum ich bisher geschwiegen habe, warum ich nicht wollte, dass du dich mit William triffst. Ich wollte nicht, dass die Legende wahr werden würde. Ich wollte es verhindern, mit aller Macht.“ Meine Großmutter brach in Tränen aus.
Ich hatte nicht die Kraft sie zu trösten, ihr zu sagen, dass alles wieder gut werden würde. Denn, das wusste ich nicht. Ich wusste nicht, ob alles wieder gut werden würde. Ich wusste ja noch nicht einmal, was das alles bedeuten sollte für mich. Ich konnte nicht glauben, dass ich die Auserwählte sein sollte. Und Auserwählte für was? Ich verstand nicht, was das heißen sollte. Und wie meine Großmutter darauf schloss, dass meine Vampirkräfte mich zu der Anführerin aus den Miwok Legenden machten? Wie sie darauf schloss, dass ihre Enkelin diese Anführerin sein sollte?
„Es tut mir so leid, Josie.“
„Du kannst nichts dafür“, flüsterte ich. „Ich denke, ich gehe jetzt wirklich schlafen. Das solltest du auch tun. Wir reden morgen weiter.“
Zitternd lag ich in meinem Bett. Ich hatte so gehofft, dass der Schlaf schnell kommen würde. Auch wenn er mit schrecklichen Albträumen gekommen wäre, alles wäre besser gewesen, als weiter über das nachdenken zu müssen, was meine Großmutter erzählt hatte. Ich war nicht bereit daran zu glauben. Ich konnte nicht das Mädchen aus ihren Legenden sein, das Mädchen aus den Legenden der Miwok. Ich stammte doch nicht wirklich von ihnen ab. Nur ein kleiner Teil von mir war noch Miwok. Warum glaubte meine Großmutter, dass ich dieses Mädchen war – die Auserwählte? Gut sie hatte schon immer an diese Legenden geglaubt, aber doch nicht
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