Vampirblut (German Edition)
durchatmen. Umso überraschter war ich, als ich mich plötzlich vor Williams Haus wiederfand.
Ich weiß nicht, wie lange ich davor stand und mit mir haderte, doch irgendwann wagte ich, die Tür zu öffnen. Ich legte meine Hand auf den Türgriff, zögerte und drückte ihn dann herunter – zugesperrt.
Zugesperrt? Ich konnte mich nicht erinnern, dass William irgendwann einmal die Tür abgeschlossen hatte. Ich drückte den Klingelknopf, aber sogleich fiel mir ein, dass Williams Klingel ja nicht funktionierte, also klopfte ich an. Niemand öffnete.
In meinem Hals drückte es. Tränen stiegen mir ins Gesicht und liefen mir heiß über die Wangen. William? Wo bist du?, flüsterte ich. Plötzlich wurde mir meine Brust so eng, dass ich kaum noch atmen konnte. William war weg. Er hatte mich einfach verlassen und ich war schuld.
Ich setzte mich auf die Stufen der Veranda, wild entschlossen dort zu warten, bis er wieder kam. Irgendwann musste er zurückkommen. Sicher würde er nicht den ganzen Tag, wo auch immer er gerade war, sein.
Die Minuten vergingen wie Stunden. Und mit jeder Minute, die verstrich, stieg die Angst in mir immer mehr und mehr an, bis ich kurz vor einer Panikattacke stand und mein Atem so schnell und flach ging, dass ich Punkte vor den Augen tanzen sah.
Ich zog meine Beine an und legte meine Stirn auf die Knie. Schluchzend und schniefend musste ich irgendwann eingeschlafen sein, denn als ich aufwachte, weil jemand meinen Namen rief, wurde es schon langsam dunkel.
„Josie! Wach endlich auf!“, rief Dakota, während sie mich rüttelte. Ich blinzelte den Schleier von meinen Augen und blickte sie verwirrt an.
„Was machst du hier?“, fragte sie. Ihre Stirn war zornig gerunzelt.
„Ich warte auf William“, nuschelte ich benommen.
„Er kommt nicht, Josie“, sagte Dakota und setzte sich neben mich.
„Er kommt nicht?“, schrie ich panisch mit schriller Stimme. In meinen Ohren rauschte ein Orkan, denn mich überkam plötzlich eine beängstigende Vorahnung. Dakota hatte ihre Es-tut-mir-so-leid-Miene aufgesetzt und die ließ bei mir sämtliche Alarmglocken läuten. „Ich war heute Mittag hier, weil ich ihm endlich von der Sache mit Ratev erzählen wollte. Du weißt doch, der Eintrag in der Dämonenenzyklopädie. Jedenfalls, William hat mich gar nicht zu Wort kommen lassen. Er sagte nur, ich solle ihm nicht zu nahe kommen. Die ganze Zeit hatte er sich die Hand vor Nase und Mund gedrückt, und er zitterte am ganzen Körper. Seine Augen waren schwarz. Josie, er sah schrecklich aus.“
Ich zuckte zusammen. In meiner Brust schmerzte es, als hätte mir jemand ein Messer hineingestoßen.
„Er hatte einen Rucksack gepackt und mir das gegeben.“ Dakota kramte aus ihrer Jackentasche einen Brief hervor. „Das soll ich dir geben.“
Mit zitternden Händen griff ich nach dem Brief, den Dakota mir hinhielt. Tränen liefen mir über das Gesicht, denn ich ahnte schon, was darin stand. Langsam faltete ich das Blatt Papier auseinander. Ich erkannte Williams Handschrift, doch konnte nichts lesen, weil der Schleier aus Tränen die Buchstaben verschwimmen ließ. „Lies du es vor.“
Dakota nickte, nahm das Blatt und holte tief Luft.
„Liebe Josie!
Ich kann nicht hier bleiben. Ich muss gehen, damit ich niemandem wehtun kann. Solange ich so bin, kann ich nicht zurückkommen. Ich werde mich irgendwo verstecken, wo kein Mensch mir über den Weg laufen kann.
Du sollst wissen, ich bin Dir dankbar, für das, was Du für mich getan hast. Dich trifft keine Schuld an dem, was ich jetzt bin.
Bitte unternehmt nichts wegen Echnaton.
Ich will nicht, dass Ihr euch in Gefahr begebt.
Ich liebe Dich!
William“
Ein Schmerz, so groß, dass ich ihn kaum ertragen konnte, brannte in meiner Brust. William war gegangen. Er war fort und ich war schuld. Ich hatte ihn zu einem Monster gemacht. Ich fühlte mich leer, ausgebrannt und einsam. Am liebsten hätte ich mich irgendwo eingegraben und wäre nie wieder rausgekommen.
Tröstend zog Dakota mich in ihre Arme. „Er kommt schon wieder. Wie lange kann so ein Entzug schon dauern? Höchstens ein paar Tage. Du wirst sehen, bis die Schule nächste Woche wieder losgeht, ist William zurück.“
Ich nickte an Dakotas Schulter und hoffte so sehr, dass es stimmte. Nur ein paar Tage, dann wäre er wieder bei mir. Schließlich schien er ja stark zu sein. Wäre er sonst weggelaufen? Er war gegangen, um die Menschen vor sich zu schützen. Das hieß doch, dass er nicht in
Weitere Kostenlose Bücher