Vampirblut (German Edition)
flüsterte ich Dakota beim Abschied ins Ohr. „Mach dein Fenster auf.“
Dann ließ ich mich bereitwillig nach Hause begleiten, wartete aber vor der Tür, bis David außer Sichtweite war, um mich dann durch Dakotas Fenster, in ihr Zimmer zu schwingen, wo sie schon mit Tucker wartete. Gut, dass ihre Eltern am Wochenende gern ausgingen.
„Ich wollte noch kurz mit euch über die Tatsache sprechen, dass ich es auch merkwürdig ruhig finde. Was glaubt ihr, was das zu bedeuten hat. Sind die Blutsauger plötzlich alle auf Diät?“
Ratlose Blicke.
„Vielleicht die Ruhe vor dem Sturm?“, kam es von Dakota.
„Hmm, also bis Samhain sind ja noch paar Wochen. Das kann ich mir nicht vorstellen“, überlegte ich.
„Mir kommt das auch komisch vor“, fügte Tucker hinzu. „Irgendwas geht da vor.“
„Das denke ich auch. Nur wie erfahren wir das?“
„Ein Spion wäre gut“, warf Tucker grinsend ein.
„Der Gedanke ist nicht schlecht.“
„Vielleicht sollten wir einen von denen foltern?“ Tucker grinste.
„Ja, das wäre ein Spaß“, gab ich zu. „Aber wir sollten lieber warten, ob William wiederkommt. Vielleicht weiß der mehr.“
„Das sollten wir“, sagte Dakota entschieden, die wohl Angst hatte, wir könnten das ernst gemeint haben. Eine sinnvollere Lösung fanden wir leider an diesem Abend nicht mehr.
Am nächsten Morgen war es dann vorbei mit der vorübergehenden Ruhe. Überall in der Stadt hingen Vermisstenplakate. Ein junges Mädchen, aus der Jahrgangsstufe unter uns, war am Wochenende verschwunden. Selbst in der Schule lachte sie uns von allen Wänden her an. Wem Sarah bisher noch nicht bekannt war, der kannte ihr Gesicht spätestens jetzt. Verzweifelt flehten ihre Eltern auf den Plakaten, um Hinweise darauf, wo Sarah sein könnte.
Mir taten die Eltern des Mädchens leid. Es muss ein unfassbar großer Schmerz sein, den Eltern ertragen müssen, wenn ihnen ihr Kind genommen wird.
„Das arme Mädchen“, seufzte Dakota neben mir.
Mr. Wilson stand vor der Klasse und zitierte aus Romeo und Julia. Wie so oft in den letzten Tagen bekamen weder Dakota noch ich viel vom Unterrichtsgeschehen mit. Ich war mir sicher, das würde sich wohl bald rächen. Aber immer wieder musste ich an Sarah denken, die ich nicht einmal kannte. Ich fragte mich, ob wir das hätten verhindern können.
Seit fast vier Wochen war William jetzt weg. Der September neigte sich langsam dem Ende zu und noch immer verbot ich es mir, so gut ich konnte, an ihn zu denken. Aber wie sollte man jemanden aus seinen Gedanken fernhalten, der doch so tief im Herzen verwurzelt war?
Zweifelsohne war mein Leben ohne William weniger kompliziert gewesen. Manchmal war es, als hätte er mich erst in diese Welt der Schatten hineingezogen, in dem Moment, in dem er in mein Leben getreten war.
Sicher wusste ich, dass mehr ich an diesem Schlamassel schuld war, als sonst irgendjemand. Schließlich hatte ja ich Echnaton befreit – den Fürsten der Hölle. Aber war es nicht so, dass weder er noch ich diese Sache hätten verhindern können? Es war mir in die Wiege gelegt worden. Hätte ich Echnaton nicht befreit, wäre mein Schicksal auch nicht in Erfüllung gegangen. Wäre mein Schicksal nicht in Erfüllung gegangen, wäre ich William niemals begegnet. Und nicht zu vergessen die Schuldgefühle, die fast noch stärker auf mir lasteten, als die Sehnsucht nach William; die Menschen um mich herum starben, weil ich Echnaton befreit hatte. Sie starben wegen mir.
„Wir müssen etwas unternehmen“, flüsterte ich Dakota zu. „Wir müssen verhindern, dass so was noch mal geschieht.“
„Wie willst du das anstellen?“, flüsterte sie zurück.
„Ich geh auf Patrouille.“
„Du willst was?“ Vor Schreck blieb ihr der Mund offen stehen. „Du kannst doch nicht den ganzen Tag den Lockvogel spielen da draußen!“
„Den ganzen Tag ist nicht nötig. Abends reicht ja. Die meisten wurden abends entführt, wenn nicht mehr so viel los ist, in Vallington.“ Nun ja, viel los war nie in Vallington. Merkwürdig, dass mir das erst jetzt auffiel, aber, warum wohl, jagten die Vampire nur abends, wenn sie doch auch am Tag raus konnten – wenn auch nicht ohne genügend Schutz. Eine Sache, der ich auf den Grund gehen sollte.
„Du machst das aber nicht allein. Wir kommen mit. Zur Not kann Tucker dir helfen. Er scheint ein guter Kämpfer zu sein.“
Es widerstrebte mir zwar, meine Freunde in Gefahr zu bringen, aber Dakota hatte recht. Tucker konnte wirklich
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