Vampire Academy 01 ● Blutsschwestern
Victor hatte ihnen wahrscheinlich den Befehl gegeben, Lissa nichts anzutun. Aber was mich betraf, hatten sie keine solchen Anweisungen erhalten.
Wölfe. Genau wie im Biologie-Kurs. Was hatte Mrs Meissner noch gesagt? Bei vielen Kämpfen ging es vor allem um Willensstärke? Mit diesem Gedanken im Hinterkopf versuchte ich, die Haltung eines Alpha-Tiers auszustrahlen. Aber ich glaubte nicht, dass sie darauf hereinfielen. Jeder Einzelne von ihnen war deutlich schwerer als ich. Oh ja ‐ und außerdem waren sie in der Mehrzahl. Nein, sie hatten keinen Grund, Angst zu haben. Also versuchte ich mir einzureden, dies sei lediglich ein Training mit Dimitri, und hob einen Ast vom Boden auf, der in etwa das Kaliber eines Baseballschlägers hatte. Ich hatte ihn gerade in beide Hände genommen, als mich zwei Hunde ansprangen. Krallen und Zähne bohrten sich in mein Fleisch, aber ich hielt mich überraschend gut, während ich versuchte, mich an alles zu erinnern, was ich während der beiden vergangenen Monate über den Kampf gegen größere und stärkere Gegner gelernt hatte.
Es gefiel mir nicht, sie zu verletzen. Sie erinnerten mich zu sehr an gewöhnliche Hunde. Aber es hieß nun einmal: ich oder sie. Und meine Überlebensinstinkte gewannen. Einen von ihnen konnte ich zu Boden schlagen; ob er tot oder bewusstlos war, wusste ich nicht. Der andere griff mich immer noch an, schnell und wild. Seine Gefährten sahen aus, als wollten sie sich ihm anschließen, aber dann erschien ein neuer Mitspieler auf dem Schauplatz ‐ Christian.
„Verschwinde von hier ʺ , brüllte ich ihn an und schüttelte meinen Hund ab, während seine Krallen die nackte Haut meines Beines aufrissen und er mich beinahe umwarf. Ich trug noch immer das Kleid, obwohl ich die hohen Schuhe schon vor einer Weile abgestreift hatte.
Aber wie jeder liebeskranke Junge hörte Christian nicht auf mich. Er griff sich ebenfalls einen Ast und schwang ihn nach einem der Hunde. Aus dem Holz schössen Flammen. Der Hund wich zurück ‐ immer noch unter dem Zwang, Victors Befehle zu befolgen, obwohl er auch sichtliche Angst vor dem Feuer hatte.
Sein Gefährte, der vierte Hund, näherte sich Christian von hinten. Kluger kleiner Mistkerl. Er sprang Christian an und warf ihn zu Boden. Der Ast wurde davongeschleudert, und das Feuer erlosch noch im gleichen Augenblick. Dann stürzten sich beide Hunde auf den am Boden liegenden Jungen. Ich gab meinem Hund den Rest ‐ wieder erfüllte mich Übelkeit dabei ‐ und machte mich daran, Christian zu helfen.
Aber ich brauchte es nicht. Rettung nahte bereits in Gestalt Albertas, die aus dem Wald auf die Lichtung trat.
Mit einer Waffe schoss sie, ohne zu zögern, auf die Hunde. Todlangweilig vielleicht ‐ und absolut nutzlos gegen Strigoi als auch gegen andere Wesen? Waffen waren immerhin kampferprobt und zuverlässig. Die Hunde sackten neben Christian zusammen.
Und Christian....
Wir alle drei bewegten uns auf ihn zu ‐ wobei Lissa und ich praktisch krochen. Als ich es sah, musste ich den Blick abwenden. Mein Magen schlingerte, und es kostete mich, große Anstrengung, mich nicht zu übergeben. Er war noch nicht tot, aber ich glaubte nicht, dass er noch viel Zeit hatte.
Lissa sog seinen Anblick mit großen, verstörten Augen ein. Zaghaft streckte sie die Hand nach ihm aus und ließ sie dann wieder sinken.
„Ich kann nicht ʺ , brachte sie mit kaum hörbarer Stimme hervor. „Ich habe nicht mehr die Kraft dazu. ʺ
Alberta, deren ledriges Gesicht sowohl hart als auch mitfühlend war, zog sie sachte am Arm. „Kommen Sie, Prinzessin. Wir müssen hier weg. Wir werden Hilfe herschicken. ʺ
Ich drehte mich wieder zu Christian um, zwang mich, ihn anzusehen und zu spüren, wie viel er Lissa bedeutete.
„Liss ʺ , sagte ich zögernd. Sie sah mich an, als hätte sie vergessen, dass ich da war.
Wortlos strich ich mir das Haar vom Hals und bot ihr mein Fleisch dar.
Einen Moment lang starrte sie mich mit leerer Miene an. Dann glomm ein Gedanke in ihren Augen auf.
Die Reißzähne, die sich hinter ihrem hübschen Lächeln verbargen, bohrten sich in meinen Hals, und ein leises Stöhnen entrang sich mir. Mir war nicht klar gewesen, wie sehr ich das vermisst hatte, diesen süßen, wunderbaren Schmerz, dem ein so herrliches Staunen folgte. Ein Gefühl der Wonne umschlang mich. Schwindel erregend. Beglückend. Als befände ich mich in einem Traum.
Ich erinnere mich nicht recht daran, wie lange Lissa von mir trank. Wahrscheinlich nicht allzu
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