Vampire Academy 03 ● Schattenträume
gehört mehr als Altersschwäche dazu, sie um-zubringen. Sie ist zäh. Tatsächlich war sie für eine Weile Wächterin.”
„Wirklich?” Gerade so wie im Fall von Ambrose gerieten meine starren Vorstellungen, was Vampire, Wächter und Bluthuren betraf, durcheinander. „Also hat sie es aufgegeben, um eine - ähm, um bei ihren Kindern zu bleiben?”
„Sie hat sehr starke Auffassungen, was Familie betrifft - Auffassungen, die in Ihren Ohren wahrscheinlich sexistisch klingen würden. Sie glaubt, alle Dhampire sollten sich ausbilden lassen und für einige Zeit als Wächter arbeiten. Die Frauen sollten dann aber irgendwann nach Hause zurückkehren, um ihre Kinder gemeinsam großzuziehen.”
„Aber nicht die Männer?”
„Nein”, antwortete er trocken. „Sie denkt, Männer sollten draußen ihre Pflicht tun und Strigoi töten.”
„Wow.” Ich erinnerte mich daran, dass Dimitri mir schon einmal ein wenig von seiner Familie erzählt hatte. Sein Vater war immer mal wieder aufgetaucht, aber das war so ziemlich alles an Männern in seinem Leben gewesen. All seine Geschwister waren Schwestern. Und ehrlich, so sexistisch klang diese Vorstellung nun gar nicht. Ich hatte die gleichen Vorstellungen: dass Männer in den Kampf ziehen sollten.
Deshalb war meine Begegnung mit Ambrose auch so merkwürdig gewesen. „Sie waren derjenige, der gehen musste. Die Frauen in Ihrer Familie haben Sie hinausgeworfen.”
„Wohl kaum”, lachte er. „Meine Mutter würde mich jederzeit wieder aufnehmen, wenn ich nach Hause kommen wollte.” Er lächelte, als sei es ein Scherz, aber ich bemerkte etwas in seinen Augen, das stark nach Heimweh aussah. Es war jedoch im Nu wieder verschwunden, und Dimitri drehte sich um, als Adrian zu brüllen begann, wir dürften endlich an Bord gehen.
Als wir im Flugzeug saßen, konnte Lissa es kaum erwarten, unseren Freunden von den Neuigkeiten zu erzählen. Sie begann damit, dass ich zur Königin gerufen worden war. Dies war aber kein Thema, das ich erörtert wissen wollte, doch sie ließ nicht locker, ganz aus dem Häuschen darüber, dass die Königin mich hatte loben wollen. Alle wirkten beeindruckt, bis auf Adrian. Der Ausdruck auf seinem Gesicht sagte mir, dass er sich sicher war, dass sie mich definitiv nicht aus diesem Grund zu sich gerufen hatte. Allerdings stand in seinen Augen genug Verwirrung, um mich zu der Schlussfolgerung zu bringen, dass er von dem wahren Grund auch keinen Schimmer hatte. Es wurde langsam Zeit, dass ich einmal etwas wusste, das er nicht wusste. Ich hatte das Gefühl, die Vorstellung einer Verbindung zwischen ihm und Lissa hätte ihn genauso schockiert wie mich.
Dann erzählte Lissa ihnen von dem Angebot, bei Hof zu leben und das College in Lehigh zu besuchen. „Ich kann es immer noch nicht glauben”, überlegte sie laut. „Es klingt zu schön, um wahr zu sein.”
Adrian kippte ein Glas von etwas, das nach Whiskey aussah. Wie hatte er den so schnell in die Finger bekommen? „Wenn es von meiner Großtante kommt? Es ist zu schön, um wahr zu sein.”
„Was soll das heißen?”, fragte ich. Nachdem ich von Tatjana hin-sichtlich einer fiktiven Romanze beschuldigt worden war und erfahren hatte, dass sie einen Dhampir-Liebhaber/Spender hatte, würde mich nichts in Bezug auf diese Frau mehr überraschen. „Steckt Lissa in Schwierigkeiten?”
„Was, körperlich? Nein. Es ist nur so, dass meine Großtante nichts aus reiner Herzensgüte tut. Nun”, korrigierte sich Adrian, „manchmal vielleicht schon. Sie ist kein vollendetes Miststück. Und ich denke, sie meint es ernst, wenn sie sagt, sie mache sich Sorgen um die Dragomirs.
Ich habe gehört, dass sie deine Eltern gemocht hat. Aber was die Frage betrifft, warum sie das tut.... Ich habe keine Ahnung. Du hast radikale Ideen. Vielleicht will sie tatsächlich abweichende Meinungen hören. Vielleicht will sie dich aber auch nur im Auge behalten und verhindern, dass du Schwierigkeiten machst.” Oder vielleicht will sie Lissa mit dir verheiraten, fügte ich im Geist hinzu.
Christian gefiel nichts von alledem. „Er hat recht. Sie könnte versuchen, dich zu zügeln. Du solltest zu Tante Tascha ziehen. Du brauchst kein Moroi-College zu besuchen.”
„Aber sie wird sicherer sein, wenn sie es tut”, gab ich zu.
Ich war ganz dafür, gegen das System zu kämpfen — und Lissa von königlichen Plänen fernzuhalten -, aber wenn sie auf ein College ging, für dessen Schutz die Moroi nicht sorgten, würde sie in Gefahr
Weitere Kostenlose Bücher