Vampire Academy 06 ● Schicksalsbande
dich auf.“
Lissa zögerte, obwohl Christian an ihrem Arm zog. Ungeachtet dessen, dass es in allen Berichten hieß, Eddie habe Lissas Leben verteidigt, hatte er eben trotzdem einen Moroi getötet. Das würde niemand auf die leichte Schulter nehmen. Die Wächter mussten hundertprozentig davon überzeugt sein, dass er keine andere Wahl gehabt hatte, bevor sie ihn freiließen. Beim Anblick des starken, ruhigen Ausdrucks auf seinem Gesicht wusste Lissa, dass er bereit war, sich allem zu stellen, was da auf ihn zukommen mochte.
„Danke“, sagte sie, als sie an ihm vorbeiging. „Danke, dass du mir das Leben gerettet hast.“
Seine Antwort bestand in einem leichten Nicken. Lissa trat daraufhin in den Flur – und sah sich weiterem Chaos gegenüber.
„Wo sind sie? Ich bestehe darauf, dass – ah!“
Meine Freunde und die Alchemisten waren in Begleitung einiger Wächter dem Ausgang entgegengestrebt. In der Zwischenzeit hatte jemand den Flur betreten und wurde jetzt von den Wächtern aufgehalten. Abe.
Er erfasste in weniger als einem Herzschlag jede Einzelheit des bizarren Szenarios, und sein Blick glitt über Sydney und die Alchemisten hinweg, als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Durch Lissas Augen sah ich Sydney erbleichen, was sonst jedoch niemand bemerkte. Abe lächelte Lissa an und schlenderte auf sie zu.
„Da sind Sie ja. Man sucht Sie schon wegen der letzten Prüfung.“
„Und man hat Sie geschickt?“, fragte Christian skeptisch.
„Na ja, ich habe mich eher freiwillig gemeldet“, erwiderte Abe. „Mir ist zu Ohren gekommen, dass es eine gewisse, ähm, Aufregung gegeben hat. Mord, fanatische, religiöse Menschen, Verhöre. Alles Dinge, für die ich mich interessiere.“
Lissa verdrehte die Augen, sagte jedoch nichts, bis sie alle das Gebäude verlassen hatten. Die Alchemisten und ihre unwillkommene Eskorte gingen in die eine Richtung, während Lissa und unsere Freunde die andere einschlugen. Lissa sehnte sich danach, zu Sydney und Ian hinüberzuschauen – mir ging es ganz genauso. Sie wusste jedoch, dass es das Beste war, weiterzugehen und Abes Beispiel zu folgen, insbesondere da einige dieser Wächter mehr beobachteten als nur die Alchemisten.
Sobald Lissas Gruppe weit genug von den Offiziellen entfernt war, verschwand Abes leutseliges Lächeln, und er wandte sich zu meinen Freunden um. „Was ist denn eigentlich passiert, verdammt noch mal? Ich habe alle möglichen verrückten Geschichten gehört. Jemand sagte, Sie seien tot.“
„Fast wäre das auch so gewesen“, entgegnete Lissa. Sie erzählte ihm nun von dem Attentat und verlieh auch ihrer Angst um Eddie Ausdruck.
„Ihm wird schon nichts passieren“, meinte Abe abschätzig. „Sie haben ja gar nichts gegen ihn in der Hand. Schlimmstenfalls wird er einen Eintrag in seine Akte bekommen.“
Lissa war über Abes beruhigende Worte zwar erleichtert, aber ich hatte trotzdem ein schlechtes Gewissen. Dank mir war Eddies Akte bereits mit einem Makel versehen. Mit seinem erstklassigen Ruf ging es Tag für Tag bergab.
„Das war Sydney Sage“, sagte Lissa. „Ich dachte, sie befänden sich alle in West Virginia. Warum ist sie nicht bei Rose?“
„Das“, erwiderte Abe düster, „ist eine hervorragende Frage.“
„Weil sie anscheinend in Detroit Jill Mastrano entführt haben“, erklärte Christian. „Was zwar komisch ist. Aber ich könnte mir vorstellen, dass Rose noch verrücktere Dinge täte.“ Ich wusste diese Unterstützung wirklich zu schätzen.
Abe ließ sich auch über diese neue Entwicklung ins Bild setzen, zumindest, soweit meine Freunde etwas darüber wussten – was nur einen Bruchteil der ganzen Geschichte ausmachte. Abe begriff sofort, dass er zum Narren gehalten wurde, und seine wütende Miene machte deutlich, dass es ihm nicht gefiel, im Dunkeln bleiben zu müssen. Willkommen im Club, alter Herr!, dachte ich mit einer gewissen Befriedigung. Ich hatte nicht vergessen, dass mich niemand in den Fluchtplan eingeweiht hatte. Meine Selbstgefälligkeit war jedoch nur von kurzer Dauer, weil ich mir Sorgen darüber machte, was nun mit Sydney geschehen würde. Schließlich hatte sie jetzt auch noch Abe am Hals.
„Dieses Mädchen hat mich angelogen“, knurrte er. „Jeden Tag diese Berichte darüber, wie langweilig und ruhig es in West Virginia sei. Ich frage mich, ob sie es überhaupt bis in diese Stadt geschafft haben. Ich muss mit ihr reden.“
„Viel Glück!“, sagte Adrian und zog eine Zigarette und ein Feuerzeug
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