Vampire bevorzugt
beschäftigte, dachte ich, jetzt hätte ich meine Ruhe. Doch weit gefehlt. Da war noch irgendwas anderes - irgendwas, das Sweetie gesagt hatte. Angestrengt dachte ich nach, aber die Erinnerung wollte einfach nicht bis in mein Bewusstsein vordringen.
Und dann war ich selbst erstaunt, als ich plötzlich Andy Bellefleur zu Hause anrief. Seine Schwester Portia war genauso erstaunt wie ich, als sie abhob, und teilte mir ziemlich kühl mit, sie würde Andy holen gehen.
»Ja, Sookie?« Andy klang ganz normal.
»Andy, ich möchte dir eine Frage stellen.«
»Worum geht's?«
»Als Sam angeschossen wurde«, begann ich und hielt dann inne, um zu überlegen, was ich überhaupt sagen wollte.
»Okay«, sagte Andy. »Was war, als Sam angeschossen wurde?«
»Stimmt es, dass die Kugel nicht zu den anderen passt?«
»Wir haben nicht in allen Fällen eine Kugel gefunden.« Keine direkte Antwort, aber besser als gar nichts.
»Hmmm. Okay«, entgegnete ich, dankte ihm und legte auf, nicht ganz sicher, ob ich nun erfahren hatte, was ich hatte erfahren wollen. Ich musste einfach aufhören, darüber nachzudenken, und etwas anderes tun. Wenn da noch irgendein Problem verborgen lag, würde es sich wie von selbst an die Spitze all der Probleme schieben, die meine Gedanken ohnehin schon schwer genug belasteten.
Den Rest des Abends verbrachte ich friedlich für mich allein, ein inzwischen wirklich selten gewordenes Vergnügen. Da ich hier so wenig Haus- und Gartenarbeit zu erledigen hatte, würde ich in den nächsten Wochen eine Menge Freizeit haben. Ich las eine Stunde lang, löste ein Kreuzworträtsel und ging um elf ins Bett.
Erstaunlicherweise wurde ich in dieser Nacht einmal nicht geweckt. Keiner starb, kein Feuer brach aus und keiner musste mich wegen irgendeines Notfalls aufscheuchen.
Als ich am nächsten Morgen aufstand, fühlte ich mich so gut wie schon die ganze Woche nicht. Ein Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich bis zehn Uhr morgens durchgeschlafen hatte. Im Grunde war das ja nicht weiter erstaunlich. Meine Schulter war fast verheilt, und das Grübeln hatte ich erst einmal aufgegeben. Ich hatte kaum Geheimnisse, die ich für mich behalten wollte, und das erleichterte mich enorm. Ich war daran gewöhnt, anderer Leute Geheimnisse zu bewahren, aber nicht meine eigenen.
Das Telefon klingelte, als ich eben den letzten Schluck meines Frühstückskaffees trank. Ich legte das Taschenbuch mit der Schriftseite nach unten auf den Küchentisch und ging ans Telefon.
»Hallo«, sagte ich fröhlich.
»Heute ist es soweit«, begann Alcide ganz unvermittelt mit aufgeregter Stimme. »Du musst kommen.«
Dreißig Minuten hatte mein Friede gedauert. Ganze dreißig Minuten.
»Ich schätze mal, du meinst den Wettkampf um die Position des Leitwolfs.«
»Natürlich.«
»Und ich muss dahinkommen. Warum?«
»Du musst kommen, weil das ganze Rudel und alle Freunde des Rudels kommen müssen«, erwiderte Alcide in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. »Vor allem Christine findet, du solltest das unbedingt sehen.«
Ich hätte mich vielleicht zur Wehr gesetzt, wenn er das mit Christine nicht erwähnt hätte. Die Witwe eines der ehemaligen Leitwölfe hatte ich als intelligente Frau mit kühlem Kopf in Erinnerung.
»Okay«, meinte ich und bemühte mich, nicht zu mürrisch zu klingen. »Wo und wann?«
»Um zwölf Uhr mittags, komm zu dem leeren Gebäude in der Clairemont Street 2005, da wo die Druckerei David & Van Such drin war.«
Ich ließ mir noch eine Wegbeschreibung geben und legte auf. Beim Duschen fiel mir ein, dass es sich ja um eine Art sportlichen Wettkampf handelte, und so zog ich meinen alten Jeansrock und ein langärmliges rotes T-Shirt an. Dazu trug ich eine rote Strumpfhose (der Rock war verdammt kurz) und schwarze Pumps. Sie waren etwas abgewetzt, so dass ich hoffte, Christine würde keinen allzu genauen Blick darauf werfen. Ich legte meine silberne Halskette mit dem Kreuz um; die religiöse Bedeutung würde den Werwölfen nicht weiter auffallen, das Silber vielleicht schon.
Die geschlossene Druckerei David & Van Such war in einem sehr modernen Gebäude in einem ebenso modernen Industriepark untergebracht gewesen, der an diesem Samstag verlassen dalag. Alle Gebäude passten in der Bauweise zueinander: Es waren niedrige Häuser aus grauem Stein und dunklem Glas, umgeben von dichten Myrtenbüschen und Rasenflächen, die hübsch eingefasst waren. David & Van Such hatten sich eine Zierbrücke über einen Zierteich geleistet
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