Vampire bevorzugt
hatte seinen Zwillingsbruder verloren, und aus seinen Gedanken kam mir so großer Kummer entgegen, dass ich es kaum ertragen konnte.
»Vielen Dank, dass Sie mit uns reden.« Automatisch stand er vom Stuhl auf und reichte mir die Hand. »Ich bin Jay Marriot, und dies ist meine Mutter Justine.«
Diese Familie hatte ihren Lieblingsbuchstaben im Alphabet gefunden und war dabei geblieben.
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Konnte ich ihnen mein Beileid über den Verlust ihres geliebten Sohnes und Bruders aussprechen, wenn derjenige versucht hatte, mich zu töten? Für diesen Fall schrieb die Etikette keine Regeln vor; da wäre sogar meine Großmutter ratlos gewesen.
»Miss - Ms - Stackhouse, haben Sie meinen Bruder vorher schon jemals gesehen?«
»Nein«, sagte ich. Sam nahm meine Hand. Da die Marriots auf den beiden einzigen Stühlen saßen, die das Büro zu bieten hatte, lehnten Sam und ich an der Vorderseite seines Schreibtisches. Hoffentlich bereitete ihm sein Bein keine Schmerzen.
»Warum hätte er Ihr Haus in Brand stecken sollen? Er war der Polizei noch nie aufgefallen, in keiner Hinsicht.« Jetzt hatte Justine zum ersten Mal das Wort ergriffen. Ihre Stimme klang heiser und erstickt von Tränen; und ein bittender Unterton lag darin. Sie flehte fast darum, dass ich die Anschuldigung gegen ihren Sohn Jeff nicht bestätigen möge.
»Das weiß ich auch nicht.«
»Könnten Sie uns erzählen, wie es dazu gekommen ist? Ich meine, zu seinem - Tod.«
Ich spürte, wie Wut in mir aufflackerte, weil ich verpflichtet war, sie zu bedauern - weil ich gezwungen war, feinfühlig zu sein und sie umsichtig zu behandeln. Wer war denn hier schließlich fast gestorben? Wer hatte einen Teil seines Zuhauses verloren? Wer stand vor einer finanziellen Krise, die sich nur durch einen Zufall nicht zu einer Katastrophe auswuchs? Ich kochte fast vor Wut. Sam ließ meine Hand los und legte den Arm um meine Schultern. Er spürte die Anspannung in meinem Körper, hoffte aber, ich würde dem Impuls zu einem Wutausbruch nicht nachgeben.
Ich klammerte mich an den besseren Teil meines Wesens, wenn auch nur noch mit den Fingerkuppen.
»Eine Freundin hat mich geweckt«, sagte ich. »Und als wir aus dem Haus draußen waren, sahen wir den Vampir, der bei meinem Nachbarn - auch ein Vampir - zu Besuch ist, neben der Leiche von Mr Marriot stehen. Ein Benzinkanister lag gleich neben dem... ganz in der Nähe. Die Ärztin, die ihn untersucht hat, sagte, dass er Benzin an den Händen hatte.«
»Wer hat ihn getötet?«, fragte die Mutter.
»Der Vampir.«
»Hat er ihn gebissen?«
»Nein, er... nein. Nicht gebissen.«
»Wie dann?« Jay ließ etwas von seiner eigenen Wut erkennen.
»Er hat ihm das Genick gebrochen, glaube ich.«
»Genau das haben wir auch im Büro des Sheriffs zu hören bekommen«, sagte Jay. »Aber wir wussten einfach nicht, ob sie uns da die Wahrheit gesagt haben.«
Du meine Güte.
Sweetie Des Arts steckte den Kopf zur Tür herein und bat Sam um den Schlüssel für das Vorratslager, weil sie ein Glas Mixed Pickles brauchte. Sie entschuldigte sich für die Unterbrechung. Arlene winkte mir zu, als sie den Flur hinunter auf die Tür für Angestellte zuging; einen Augenblick lang fragte ich mich, ob Dennis Pettibone wohl in die Bar gekommen war. Ich war so sehr in meine eigenen Probleme versunken gewesen, dass ich es gar nicht mitgekriegt hatte. Als die Außentür hinter ihr ins Schloss fiel, machte sich Schweigen in dem kleinen Raum breit.
»Warum war der Vampir überhaupt vor Ihrem Haus?«, fragte Jay ungeduldig. »Mitten in der Nacht?«
Ich sagte nicht zu ihm, dass ihn das gar nichts angehe.
Sams Hand strich über meinen Arm. »Zu der Zeit sind sie wach. Und er wohnt in dem einzigen Haus, das bei mir in der Nähe ist.« Das hatten wir auch der Polizei erzählt. »Er hatte wohl irgendwas vor meinem Haus gehört und wollte nachsehen.«
»Wir wissen nicht, wie Jeff dorthin gekommen ist«, sagte Justine. »Wo ist sein Wagen?«
»Ich weiß nicht.«
»Und in seiner Brieftasche fand sich so eine Mitgliedskarte?«
»Ja, eine Mitgliedskarte der Bruderschaft der Sonne«, erwiderte ich.
»Aber er hatte überhaupt nichts gegen Vampire«, protestierte Jay. »Wir sind Zwillinge. Ich hätte es gewusst, wenn er einen Hass auf irgendwas gehabt hätte. Das ergibt alles gar keinen Sinn.«
»Er hat einer Frau in der Bar einen falschen Namen und eine falsche Heimatstadt genannt«, hielt ich dagegen, so freundlich wie möglich.
»Na
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