Vampire bevorzugt
ja, er war auf der Durchreise«, sagte Jay. »Ich bin ein verheirateter Mann, aber Jeff ist geschieden. Ich sage das nicht gern in Gegenwart meiner Mutter, aber so etwas tun Männer nun mal: Sie nennen Frauen, die sie in Bars kennen lernen, falsche Namen und sie erzählen erfundene Geschichten.«
Das stimmte. Auch wenn im Merlotte's vor allem Leute aus der Umgebung verkehrten, hatte ich doch schon so manche Geschichte von Auswärtigen gehört, die zufällig vorbeigekommen waren. Und ich hatte sofort gemerkt, dass sie logen.
»Wo war die Brieftasche?«, fragte Justine. Sie sah wie ein alter geprügelter Hund zu mir auf, und mir stockte das Herz.
»In der Innentasche seines Jacketts«, antwortete ich.
Unvermittelt stand Jay auf. Dann begann er auf dem kleinen Raum, der ihm zur Verfügung stand, hin und her zu tigern. »Auch das«, sagte er mit etwas lebhafterer Stimme, »ist so gar nicht Jeffs Art. Er trug die Brieftasche immer hinten in der Jeans, genau wie ich. Wir stecken unsere Brieftaschen nie ins Jackett.«
»Was wollen Sie damit sagen?«, fragte Sam.
»Ich will damit sagen, dass Jeff meiner Ansicht nach nicht der Täter ist«, sagte sein Zwillingsbruder. »Auch diese Leute an der Fina-Tankstelle können sich geirrt haben.«
»Jemand bei Fina sagt, dass er dort einen Kanister gekauft hat?«, fragte Sam.
Justine zuckte zusammen, die weiche Haut um ihr Kinn erzitterte.
Ich dachte kurz über die Vermutungen der Marriots nach, da klingelte das Telefon, und wir fuhren alle auf. Sam nahm den Hörer ab und sagte mit ruhiger Stimme: »Merlotte's.« Er hörte zu, sagte: »Mhm-mhm« und »Wirklich?« und schließlich »Ich erzähl's ihnen«, dann legte er auf.
»Der Wagen Ihres Bruders wurde gefunden«, sagte er zu Jay Marriot. »Er steht in einer kleinen Straße, die beinahe direkt gegenüber von Sookies Auffahrt liegt.«
Jetzt erlosch auch noch der letzte Hoffnungsschimmer auf den Gesichtern der kleinen Familie, und ich konnte nur noch Mitleid für sie empfinden. Justine schien seit dem Zeitpunkt, als sie die Bar betreten hatte, um zehn Jahre gealtert, und Jay wirkte, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen und gegessen. Sie gingen, ohne noch einmal das Wort an mich zu richten, Gott sei Dank. Den wenigen Sätzen, die sie miteinander wechselten, entnahm ich, dass sie sich Jeffs Wagen ansehen und fragen wollten, ob sie seine Habseligkeiten mitnehmen dürften. Ich fürchtete, da würden sie erneut auf taube Ohren stoßen.
Auf dieser kleinen Straße, die eigentlich nur ein Feldweg war, der zu einem Futterplatz für Rotwild führte, hatte auch Debbie Pelt ihren Wagen versteckt (das wusste ich von Eric), ehe sie zu meinem Haus kam, um mich zu töten. Vielleicht sollte ich da gleich ein Schild aufstellen: Parkplatz für nächtliche Attentäter, die es auf Sookie Stackhouse abgesehen haben.
Sam schwang sich mit seinen Krücken wieder ins Büro hinein. Er hatte die Marriots zur Tür gebracht. Jetzt stellte er sich neben mich - ich lehnte immer noch am Tisch tat die Krücken zur Seite und legte seinen Arm um mich. Ich drehte mich zu ihm um und schlang meine Arme um seine Taille. Er hielt mich fest, und eine wunderbare Minute lang hatte ich meinen Frieden gefunden. Die Hitze seines Körpers wärmte mich, und seine deutliche Zuneigung tat mir gut.
»Tut dein Bein weh?«, fragte ich, als er sich ruhelos bewegte.
»Mein Bein nicht«, erwiderte er.
Verwirrt sah ich auf, und unsere Blicke trafen sich. Seine Augen wirkten reuevoll. Und plötzlich verstand ich, was Sam weh tat, und lief rot an. Aber ich ließ ihn nicht los. Das wunderbare Gefühl, jemandem nahe zu sein - nein, Sam nahe zu sein, wollte ich nicht beenden. Weil ich mich nicht abwandte, näherte er seinen Mund langsam dem meinen, wobei er mir alle Möglichkeiten ließ, mich zurückzuziehen. Seine Lippen berührten meine, einmal, zweimal. Und dann begann er mich zu küssen, und die Wärme seiner Zunge füllte meinen Mund.
Das fühlte sich unglaublich gut an. Der Besuch der Familie Marriot hatte eher in die Krimiabteilung gehört, aber jetzt war ich eindeutig bei den Liebesromanen angekommen.
Seine Größe entsprach der meinen so perfekt, dass ich mich nicht nach oben strecken musste, um seinen Mund zu treffen. Sein Kuss wurde dringlicher. Seine Lippen wanderten meinen Hals hinab bis zu jener verletzlichen und empfindlichen Stelle, und sehr sanft nagte er mit den Zähnen daran.
Ich atmete schwer. Ich konnte einfach nicht anders. Würde ich die Gabe der
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