Vampire bevorzugt
Draußen war es schon fast dunkel. Plötzlich fuhr mir der Schreck in die Glieder. Ich sollte nicht hier sein. Ich verließ den Schrank und sah mich im Zimmer um. Als mein Blick auf den Türrahmen fiel, füllte ihn eine schlanke Gestalt. Ich schnappte nach Luft, ehe ich es verhindern konnte. Wer ihnen seine Angst zeigte, konnte auch gleich mit einem roten Tuch vor einem Stier herumwedeln.
Ich konnte Mickeys Gesicht nicht sehen und daher seine Miene nicht deuten, falls sie denn überhaupt irgendeinen Aufschluss gegeben hätte.
»Wo ist dieser neue Barkeeper des Merlotte's hergekommen?«, fragte er.
Was auch immer ich erwartet hatte, das nicht.
»Als Sam angeschossen wurde, brauchten wir sofort einen Ersatz. Er arbeitet nur leihweise für uns, eigentlich gehört er zu einer Vampir-Bar in Shreveport.«
»War er da schon lange?«
»Nein«, erwiderte ich und war trotz meiner schleichenden Angst überrascht. »Ganz im Gegenteil.«
Mickey nickte, als würde ich etwas bestätigen, was er sich schon gedacht hatte. »Verschwinde hier.« Seine tiefe Stimme klang ziemlich ruhig. »Du hast einen schlechten Einfluss auf Tara. Sie braucht niemanden außer mir, bis ich ihrer überdrüssig bin. Tauch hier nie wieder auf.«
Der einzige Weg hinaus führte durch den Türrahmen, in dem er immer noch stand. Ich traute meiner Stimme nicht und sagte lieber nichts. So zuversichtlich, wie ich nur irgend konnte, ging ich auf ihn zu und überlegte, ob er mir wohl den Weg freimachen würde. Mir schienen drei Stunden vergangen zu sein, als ich endlich Taras Bett und ihre Frisierkommode umrundet hatte. Als ich keine Anstalten machte, stehen zu bleiben, trat der Vampir zur Seite. Ich konnte es mir nicht verkneifen, im Vorbeigehen in sein Gesicht zu sehen - er hatte die Fangzähne ausgefahren. Mich schauderte. Ich war so angewidert, dass es mich fast schüttelte. Wie konnte Tara so etwas bloß passieren?
Als er meinen Ekel bemerkte, lächelte er.
Ich packte das Problem mit Tara zu den Dingen, über die ich später nachdenken würde. Vielleicht fiele mir ja etwas ein, das ich für Tara tun konnte; doch solange sie anscheinend freiwillig mit dieser abscheulichen Kreatur zusammen war, hatte ich wohl nicht viele Möglichkeiten, zu helfen.
Sweetie Des Arts stand draußen und rauchte eine Zigarette, als ich den Wagen hinter dem Merlotte's parkte. Sie sah ziemlich gut aus, mal abgesehen von der fleckigen weißen Kochschürze. Die grelle Außenbeleuchtung machte jede kleine Falte ihrer Haut sichtbar und ließ erkennen, dass Sweetie ein bisschen älter war, als ich gedacht hatte; aber für jemanden, der fast den ganzen Tag in der Küche stand, sah sie immer noch sehr passabel aus. Und wenn nicht die weiße Schürze sie verhüllt und ein Geruch von Bratfett sie umgeben hätte, hätte Sweetie jederzeit als Frau mit Sexappeal gelten können. Sweetie war mit Sicherheit eine Frau, die es gewöhnt war, aufzufallen.
Wir hatten in letzter Zeit so viele Köche gehabt, dass ich mich kaum bemüht hatte, sie richtig kennen zu lernen. Ich ging davon aus, dass sie sich früher oder später sowieso einen anderen Job suchen würde - wahrscheinlich eher früher. Doch sie hob eine Hand und begrüßte mich, als ob sie mich sprechen wollte, und so blieb ich stehen.
»Das mit deinem Haus tut mir wirklich leid«, sagte sie. Ihre Augen glänzten in dem künstlichen Licht. Es roch nicht gerade lieblich hier gleich neben den Müllcontainern, aber Sweetie wirkte so gelassen, als wäre sie an einem Strand in Acapulco.
»Danke«, entgegnete ich bloß, denn ich wollte nicht darüber reden. »Wie geht's dir denn so?«
»Prima, danke.« Mit der Zigarette in der Hand beschrieb sie mit dem Arm einen Halbkreis über den Parkplatz. »Ich genieße die Aussicht. Hey, du hast da was an der Jacke.« Damit ich keine Asche abbekam, streckte sie die Hand mit der Zigarette sorgsam weg, beugte sich zu mir vor - für meinen Geschmack viel zu nah - und schnippte etwas von meiner Schulter. Sie schnupperte. Vielleicht haftete mir trotz all meiner Bemühungen doch noch ein Hauch von verbranntem Holz an.
»Ich muss jetzt rein. Meine Schicht beginnt.«
»Ja, ich muss auch wieder in die Küche. Ganz schön viel los heute Abend.« Doch Sweetie blieb, wo sie war. »Sam ist ganz verrückt nach dir, weißt du das?«
»Ich arbeite schon ziemlich lange für ihn.«
»Nein, das geht weit darüber hinaus.«
»Ach, das glaube ich nicht, Sweetie.« Mir wollte einfach nichts einfallen, womit ich
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