Vampire bevorzugt
plötzlich war, fühlte ich mich wie ein egoistisches Miststück, weil ich ihm all das auflud. Sam hatte schließlich genug eigene Sorgen.
»Tut mir leid«, sagte ich, »du kannst wirklich keine weiteren Schwierigkeiten brauchen. Komm, gehen wir wieder hinein.«
Sam starrte mich an. »Ich muss mich setzen«, erklärte er nach einem kurzen Moment.
»Danke, dass ich in dem Haus wohnen darf. Natürlich zahle ich Miete. Ich bin ja so froh, dass ich jetzt etwas habe, wo ich kommen und gehen kann, ohne jemanden zu stören! Wie viel kriegst du? Meine Versicherung kommt sicher für die Miete auf, während mein Haus renoviert wird.«
Sam warf mir einen harten Blick zu und nannte dann einen Preis, der bestimmt deutlich unter seinen üblichen Mietforderungen lag. Ich stützte ihn, weil ihm sein Bein solche Schmerzen bereitete. Er akzeptierte es ohne Widerworte, was meine gute Meinung von ihm noch steigerte. Mit meiner Hilfe humpelte er den Flur entlang und ließ sich mit einem Seufzer in den Bürostuhl mit den Rollen hinter seinem Schreibtisch fallen. Ich schob einen der Besucherstühle zu ihm hinüber, damit er sein Bein hochlegen konnte, was er umgehend tat. In dem Neonlicht seines Büros wirkte Sams Gesicht eingefallen und verhärmt.
»Geh wieder an die Arbeit«, sagte er scherzhaft drohend. »Ich wette, sie sind schon über Charles hergefallen.«
In der Bar herrschte genau das Chaos, das ich befürchtet hatte, und ich kümmerte mich sofort um meine Tische. Danielle warf mir einen vernichtenden Blick zu, und sogar Charles wirkte alles andere als glücklich. So schnell ich konnte, servierte ich nach und nach neue Drinks, räumte leere Gläser ab, stellte frische Aschenbecher hin und wischte klebrige Tische ab, wobei ich alle Gäste stets anlächelte und ein paar Worte mit ihnen wechselte. Mein Trinkgeld konnte ich an diesem Abend zwar abschreiben, aber schließlich herrschte wieder Frieden.
Langsam fand alles zu seinem gewohnten Rhythmus zurück. Bill und seine Begleiterin waren in ein Gespräch vertieft, bemerkte ich - auch wenn ich mich bemühte, nicht dauernd in ihre Richtung zu blicken. Zu meiner eigenen Bestürzung überfiel mich jedes Mal, wenn ich die beiden dort so vertraut sitzen sah, eine Wut, die nicht gerade für meinen Charakter sprach. Meine Gefühle waren zwar etwa neunzig Prozent aller Gäste völlig egal, doch die restlichen zehn Prozent beobachteten mit Adleraugen, ob ich wegen der Frau in Bills Begleitung litt. Einige hätten sich darüber sehr gefreut, andere wiederum nicht - aber es ging niemanden etwas an, weder so noch so.
Ich wischte eben einen Tisch ab, der gerade frei geworden war, als mir jemand auf die Schulter tippte. Mich kam noch rechtzeitig eine Vorahnung an, so dass mir mein Lächeln nicht entglitt, als ich mich umdrehte. Selah Pumphreys Lächeln war strahlend und stählern.
Sie war größer als ich und ungefähr fünf Kilo leichter. Ihr Make-up wirkte exklusiv und teuer, und sie roch geradezu nach einer Million Dollar. Ohne darüber auch nur nachzudenken, klinkte ich mich in ihre Gedanken ein.
Selah fühlte sich mir absolut überlegen, sofern ich nicht fantastisch im Bett war. Sie vermutete allerdings, dass Frauen aus den unteren Schichten meist besser im Bett waren, weil sie sich nicht so verklemmt anstellten. Sie wusste, sie war schlanker, klüger, verdiente viel mehr Geld und war weitaus gebildeter und belesener als die Kellnerin, die sie gerade ansah. Doch Selah Pumphrey misstraute ihren eigenen sexuellen Fähigkeiten und hatte Angst davor, ihre verletzliche Seite zu zeigen. Das war mehr, als ich hatte wissen wollen.
Es war immerhin interessant, zu erfahren (aus Selahs Gedanken), dass ich - da ich ja arm und ungebildet war - einen besseren Zugang zu meinem sexuellen Wesen hatte. Das sollte ich unbedingt allen armen Leuten in Bon Temps erzählen. Was würden für großartige Zeiten anbrechen, wenn wir alle ständig miteinander vögeln würden und uns gegenseitig bestätigen könnten, dass wir viel besseren Sex hatten als die klugen reichen Leute der Oberschicht - was wir bislang nicht angemessen zu würdigen wussten.
»Ja?«, sagte ich.
»Wo sind denn bitte die Toiletten?«, fragte sie.
»Durch den Durchgang dort, über dem das Schild >Toiletten< angebracht ist.« Ich sollte dankbar sein, dass ich immerhin clever genug war, Schilder zu lesen.
»Oh! Der Durchgang. Den hatte ich gar nicht gesehen.«
Ich wartete einfach ab.
»Ja, äh, geben Sie mir einen Tipp? Wie das mit
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