Vampire Earth 5 - Verräterblut
herum sind etliche Nebengebäude aus dem Boden geschossen. Zwei Fachwerkstätten, eine Klinik, Quartiere für die Aufseher und ein Gerichtsgebäude, das zugleich als Verwaltungsgebäude dient, gruppieren sich um den sechsstöckigen Betonstern herum. Und dann ist da noch die »Garage«, eine Aluminiumscheune, in der ein paar Wracks als Ersatzteillieferanten untergebracht sind. Die Garage ist der Ort, an dem Verurteilte gehängt werden, ganz im Sinne der Tradition um Mitternacht.
Valentine war stolz auf sein Gedächtnis, aber in späteren Jahren gelang es ihm nie, sich richtig klar an seine Ankunft in The Nut zu erinnern. Am deutlichsten sah er den Militärjuristen vor Augen, der die gegen ihn erhobenen Beschuldigungen einem ergrauten, ernsten Vorsitzenden vortrug: Folter und Mord an Gefangenen unter seiner Aufsicht im Zuge des Aufruhrs in Little Rock in jener wilden Nacht, ein Aufruhr, der bisweilen auch als Valentines Aufstand bezeichnet wurde.
Sechs Männer waren unter den Händen der Frauen gestorben, die er aus dem kurischen Gefangenenlager befreit hatte. Es waren Aufseher gewesen, die Dutzende der Frauen in einer Art persönlichen Harem gehalten hatten. Valentine hatte ihre Namen nicht gekannt, und es war ein seltsames Gefühl, als sie nun mit all der Förmlichkeit, die einem Gerichtsverfahren angemessen war, vor dem Richter verlesen wurden - einer war lediglich unter dem Namen »die Kralle« bekannt.
Das Kommando Süd stellte seine Offiziere nur selten für die Exekution bewaffneter Quislinge vor Gericht - Männer, die im Kampf für die Vampire gefasst wurden, wurden üblicherweise einem Verfahren unterworfen, das inoffiziell
auch als »Peng-und-aus« bekannt war. Zwei Generationen voller bitterer Gefühle auf beiden Seiten und die Gepflogenheit der Kur, ihre eigenen militärischen Gefangenen geradewegs zu den Schlächtern zu schicken, hatten die Gemüter verhärten lassen.
»Das Gericht sieht einen Grund für eine Verhandlung.« Valentine erinnerte sich an diesen Spruch. Der Richter erklärte, dass Valentine bis zum Tag seines Verfahrens, das im letzten Drittel des Monats stattfinden sollte, am dreiundzwanzigsten Mai, um genau zu sein, in Fort Allnutt zu verbleiben habe.
Das Tempo kam Valentine merkwürdig vor; seine Kenntnisse über die Gerichtsbarkeit des Kommandos Süd beruhten auf einer schlimmen Anhörung nach der Zerschlagung der Foxtrott-Kompanie am Little Timber Hill und dem einen oder anderen Artikel im Mitteilungsblatt des Kommandos Süd, und es kam schon selten vor, dass jemand binnen sechs Monaten nach seiner Verhaftung vor den Richter treten musste.
Doch nach diesen Worten des Vorsitzenden ließ er stumm die Hygienemaßnahmen am Eingang zum Gefängnis über sich ergehen, legte die formlose babyblaue Gefangenenmontur mit dem großen gelben X auf dem Rücken, jedem Bein und der Brusttasche an und ging in seine Zelle.
An die Zelle erinnerte er sich. Als Major hatte er einen eigenen Raum im, wie der Aufseher sagte, angenehmeren Flügel von The Nut. Da war eine Tür mit einem kleinen Glasfenster anstelle von Gitterstäben, und das Fenster ließ sich öffnen, um frische Luft hereinzulassen, wenn der Rahmen auch so eng war, dass er nicht hinauskriechen konnte.
Der Raum war mit dreißig mal dreißig Zentimeter großen Linoleumfliesen ausgelegt, fünf in der Breite und neun in der Länge. Auf dem festgeschraubten Bett lagen eine
schlichte, in Folie gepackte Matratze und ein traurig aussehendes Kissen in einem Baumwollbezug, der nach Bleiche roch, ebenso wie die Waschbecken-Klo-Kombination. An der Decke hing eine braun lackierte Lampe ohne Birne. »Sie vergeuden keine Leuchtstoffröhren für Verbrecher, also bestimmt die Sonne, wann das Licht ausgeht«, sagte der Aufseher. »Warmes Essen zweimal täglich im Speiseraum, und wir bringen zum Mittagessen Suppe und Brot raus in den Hof. Fragen?«
»Wie kann ich mich rasieren?«, fragte Valentine und rieb sich den Drei-Tage-Bart.
Der Aufseher, auf dessen Namensschild Young stand und der aussah, als müsste sein Vorname »Gus« oder »Mike« oder etwas ähnlich Herzliches und Sympathisches sein, steckte den Daumen in eine Gürtellasche. »Es gibt zwei Rasierer in der Dusche. Sie dürfen sie nur unter Aufsicht benutzen. Achten Sie darauf, dass Sie den Rasierer anschließend wieder in die blaue Reinigungslösung legen …«
»Ich bin kein Selbstmordkandidat.«
»Hab ich auch nicht gesagt. Wir behalten scharfe Gegenstände hier drin im Auge. Viele der
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