Vampire küssen besser
stieß den Mann fort und sagte: »Sie sind mir gefolgt, haben mir Ihre Knarre in den Rücken gebohrt und mir gedroht. Wenn Sie sich mit mir treffen wollten, hätten Sie mich um meine Telefonnummer bitten können. Wie wäre es, wenn Sie mir endlich sagen, wer Sie sind? Und dann vielleicht noch, worum es hier eigentlich geht.«
»Darius«, entgegnete er. »Nennen Sie mich Darius. Sieht aus, als hätte ich die Sache falsch angepackt.«
»Frauen aufzulauern und sie von hinten zu überfallen ist jedenfalls nicht der geeignetste Weg, sie kennenzulernen.«
»Wir müssen miteinander reden«, erwiderte er. »Am besten, wir gehen hier irgendwo rein.« Es war keine Bitte, sondern eine Aufforderung, und das passte mir nicht.
»Ich wüsste nicht, weshalb ich mit Ihnen reden sollte. Etwa weil Sie eine Knarre haben? Oder weil Sie mich geküsst haben?« Ich rührte mich nicht vom Fleck.
Darius schaute mich entnervt an. »Also gut, es tut mir leid. Genügt Ihnen das? In der Nähe gibt es einen Chinesen, der rund um die Uhr geöffnet hat. Mir wäre lieber, wir säßen irgendwo, wo uns nicht Hinz und Kunz beobachten können.«
Zum Antworten blieb mir keine Zeit, denn er verstärkte seinen Griff um meinen Arm und dirigierte mich die Straße hinunter. »Sagen Sie mal, was fällt Ihnen eigentlich ein?«, versuchte ich mich zu wehren, doch da neigte er sich zu mir und flüsterte in mein Ohr: »Bitte. Ich muss von hier verschwinden. Sie auch. Hier sind wir nicht sicher. Na los, jetzt kommen Sie schon.« Danach lief ich brav neben ihm her. Er hielt noch immer meinen Arm umklammert, doch sein Griff war sanfter geworden. Wir liefen ein paar Blocks in Richtung Südosten, bis wir auf das Restaurant Peking Won King stießen. Dort betraten wir einen grell erleuchteten Raum und ließen uns in einer der Nischen auf gegenüberliegenden Bänken nieder. Wir waren die einzigen Gäste. Darius hatte sich so gesetzt, dass er die Tür im Auge behalten konnte, und bestellte eine Kanne grünen Tee.
»Also«, begann er, »jetzt können Sie reden.«
»Wieso ich? Sie waren doch derjenige, der reden wollte! Vielleicht erklären Sie mir als Erstes, warum ich eigentlich nicht einfach aufstehe und verschwinde.« Meine Stimme klang ruhig und beherrscht, doch inwendig war ich konfus und mein Magen verkrampft.
Darius schaute mich an, als säße ihm ein aufmüpfiges Kind gegenüber. Er öffnete den Mund, wie um etwas zu sagen, und machte ihn wieder zu, als müsse er das, was er sagen wollte, erst noch überdenken. Für einen Moment maß er mich mit abschätzendem Blick. Ich verzog keine Miene. »Na schön«, sagte er schließlich. »Sie haben recht. Ich sage Ihnen, was ich weiß oder vermute. Ich bin Ihnen gefolgt, weil ich herausfinden wollte, wer für J arbeitet. Die Gerüchte besagen, dass er Bonaventure ins Visier genommen hat. Und Bonaventure gehört mir. Außerdem heißt es, dass J seit neuestem Vampire engagiert.«
Wieder setzte mein Herzschlag aus, doch ich schaute Darius ungerührt an. Dann verdrehte ich die Augen, nach dem Motto: Wer glaubt denn so etwas?, und sagte: »Vampire? Das soll wohl ein Scherz sein. Es gibt keine Vampire.«
Darius strich sich eine Strähne aus dem Gesicht, sah fort und schien mit sich zu Rate zu gehen. Dann richtete er seinen Blick wieder auf mich. »Mag ja sein, dass Sie nicht an Vampire glauben, aber es gibt sie so sicher wie das Amen in der Kirche.« Er hatte leise gesprochen, obwohl niemand in der Nähe war, nicht einmal der Kellner. »Sie leben sogar hier bei uns in New York. Laufen über dieselben Straßen wie wir. Sitzen mit uns in der U-Bahn. Und bei Nacht töten sie unschuldige Menschen und trinken ihr Blut. Falls J dabei ist, Vampire einzusetzen, möchte ich … muss ich das wissen.«
»Du liebe Zeit, dachten Sie etwa, ich sei ein Vampir?«, fragte ich, betont belustigt, um ihm die Absurdität eines solchen Gedankens vor Augen zu führen.
»Ja. Das heißt, nein. Ich war mir nicht sicher.« Darius klang frustriert. »Anfänglich habe ich Sie dafür gehalten. Irgendwie sahen Sie so aus. Von Ihren Nachbarn war außer Ihrem Namen nichts zu erfahren, und manchen war nicht einmal der bekannt.«
»Sie haben sich bei meinen Nachbarn nach mir erkundigt? Das ist ja wohl der Gipfel! Ist Ihnen überhaupt klar, wie verrückt Sie sich anhören? Ich glaube, ich verziehe mich lieber.« Ich stand auf und machte Anstalten, mich zu entfernen, doch seine Hand schloss sich erneut wie ein Schraubstock um meinen Arm.
Wütend
Weitere Kostenlose Bücher