Vampire küsst man nicht: Argeneau Vampir 12
betäubt, dann brachte man ihn und die Frau nach Hause, tötete sie und platzierte sie in seinen Armen, damit Decker ihn so vorfindet. Und ich glaube, das alles wurde inszeniert, um zu verhindern, dass er erfährt, was Annie ihm sagen wollte«, schloss sie triumphierend ihre Ausführungen. »Und warum hat derjenige nicht einfach ihn umgebracht?«, wandte Bricker ein. »Warum tötet er stattdessen die Sterbliche?«
Die Frage ließ Jo stutzen, weil sie sie selbst bislang nicht in Erwägung gezogen hatte. Zu ihrem Glück entgegnete Thomas: »Weil wir nicht so leicht totzukriegen sind und nicht so viele von uns innerhalb kurzer Zeit umkommen. Wäre Nicholas so kurz nach Annie gestorben, dann hätte das uns alle misstrauisch gemacht. Aber hätte man ihn wegen des Mordes an einer Sterblichen verurteilt und hingerichtet, dann wäre das etwas gewesen, was wir möglichst schnell hinter uns lassen und vergessen wollten.« Jo sah den Mann überrascht an. »Gutes Argument, vielen Dank!« Er lächelte flüchtig und nickte ihr zu. »Meine Vermutung ist, dass Decker dahintergesteckt hat«, ließ Jo die anderen wissen. »Mich stört bei ihm, dass er in dem Moment auftaucht, als Nicholas aufwacht, aber Nicholas meint, Decker würde so etwas nicht machen.«
»Mortimer?«, fragte Sam. »Es könnte sein, dass Jo recht hat. Nicholas’ Verhalten deutet nicht auf einen Mörder hin. Er hat wiederholt sein Leben riskiert, um andere zu retten, und er hat sich sogar gestellt, damit Jo überlebt. Was ist, wenn sie recht hat, und Nicholas hat diese Frau gar nicht auf dem Gewissen?« Als er weiter schwieg und nur nachdenklich dreinschaute, meinte Thomas: »Die Erinnerung daran sollte da sein, Mortimer. Dass sie fehlt, ist merkwürdig.« »Vielleicht fehlt sie nicht, und Nicholas lügt«, gab Mortimer widerstrebend zu bedenken. »Das werden wir erst wissen, wenn Lucian ihn liest.«
»Du musst nicht auf Lucian warten«, warf Bricker ein. »Wenn es bei ihm so ist wie bei dir und Decker, dann sollte sein Geist für uns ein offenes Buch sein, nachdem er jetzt seine Lebensgefährtin gefunden hat. Lies seine Gedanken!« Nicholas nickte zustimmend. »Mach ruhig, ich werde mich nicht dagegen wehren. Ich will, dass du sie liest.« Jo beobachtete Mortimer, dessen Gesicht mit einem Mal einen hochkonzentrierten Ausdruck angenommen hatte. Als sie dann der Reihe nach Bricker, Anders und Thomas ansah, begegneten ihr überall die gleichen Mienen. Offenbar lasen soeben alle vier seine Gedanken.
»Die Erinnerung macht einen Sprung von der Schwangeren auf dem Parkplatz zu der Toten in seinen Armen«, murmelte Thomas plötzlich. »Aber er ist wütend, als er die Schwangere bemerkt«, wandte Mortimer ein. »Trotzdem fehlt alles zwischen dem Anblick der Schwangeren auf dem Parkplatz und dem Moment, als er die Augen aufmacht und die Frau tot in seinen Armen hält. Es ist wie bei einer Schallplatte mit einem Kratzer, der die Nadel an eine andere Stelle springen lässt. Jo könnte recht haben«, meinte Bricker, dann beschwerte er sich: »Himmel, Nicholas, bleib mit deinen Gedanken bei der Nacht auf dem Parkplatz! Ich will keine nackte Jo sehen.«
»Tut mir leid«, gab Nicholas zurück und errötete tatsächlich. »Du hast Jo erwähnt, mein Geist hat darauf nur reagiert.« Jo verdrehte die Augen. Das war ja typisch. Wenn ihr Name fiel, konnte dann in seinem Kopf nicht ein Bild von ihr auftauchen, wie sie gerade etwas Gescheites oder etwas Witziges von sich gab? Nein, es musste ein Bild sein, das sie nackt zeigte. Männer!
»Also gut«, erklärte Mortimer schließlich, als sein Gesicht wieder entspannter aussah. »Ich stimme zu, dass wir dieser Sache auf den Grund gehen müssen. Aber ich halte nichts davon, dich gehen zu lassen.« Jo wollte gerade eine giftige Bemerkung auf ihn abfeuern, da redete Mortimer weiter. »Wir werden Jeanne Louise anrufen, damit sie herkommt und wir sie befragen können.« »Den Anruf erledige ich«, erklärte sich Thomas sofort bereit. »Du musst sie dazu bringen, dass sie herkommt, ohne dabei Nicholas zu erwähnen«, warnte Mortimer ihn. »Ansonsten steht zwei Minuten später Lucian in der Tür.«
Thomas nickte und sah sich um. »Das Telefon?« »In meinem Büro«, erwiderte Mortimer und ging vor. »Du rufst Jeanne Louise an, und ich gebe den Wachen am Tor Bescheid, nach ihr Ausschau zu halten. Bricker, du behältst Nicholas im Auge.« Jo schaute ihnen nach und sah dann zu Nicholas, der überraschend blass war. »Geht es dir nicht
Weitere Kostenlose Bücher