Vampire schlafen fest
Russell zog seinen Liebsten an der Hand hinter sich her. »Diese junge Frau wäre beinahe gepfählt worden, als sie in Jackson war. Ein paar dieser Sonnenbrüder tauchten in einem Nachtclub dort auf, und einer von ihnen griff sie an.«
Bart wirkte verblüfft. »Und das haben Sie überlebt? Wie denn das?«
»Mr Edgington hat mir geholfen«, erwiderte ich. »Im Grunde hat er mir das Leben gerettet.«
Russell versuchte, bescheiden dreinzublicken, was ihm auch beinahe gelang. Nicht zu fassen, der Vampir wollte vor seinem Liebsten eine gute Figur machen. Eine so menschliche Regung hätte ich ihm gar nicht zugetraut.
»Sie haben allerdings auch etwas mitgenommen, als Sie gingen«, sagte Russell ernst und erhob den Zeigefinger.
Ich versuchte, seiner Miene irgendwie zu entnehmen, in welche Richtung ich mich mit meiner Antwort bewegen sollte. Ich hatte eine Decke mitgenommen, okay, und einige Kleider, die die jungen Männer aus Russells Harem liegen gelassen hatten. Und ich hatte Bill mitgenommen, der in einem der Nebengebäude eingesperrt gewesen war. Vielleicht meinte Russell das, hm?
»Ja, Sir. Aber ich habe ja auch etwas zurückgelassen«, sagte ich, weil mir dieses verbale Katz-und-Maus-Spiel langsam auf die Nerven ging. Na gut, bitte schön! Ich hatte Bill gerettet und die Vampirin Lorena getötet, auch wenn das mehr oder weniger zufällig geschehen war. Und ich hatte ihre verdammte Leiche im Swimmingpool versenkt.
»Irgendwie klebte da etwas am Beckenboden, als wir im Frühjahr den Pool wieder in Betrieb genommen haben«, sagte Russell und musterte mich nachdenklich mit seinen schokoladenbraunen Augen. »Was für eine unternehmungslustige junge Frau Sie doch sind, Miss...«
»Stackhouse. Sookie Stackhouse.«
»Ja, jetzt erinnere ich mich wieder. Waren Sie nicht mit Alcide Herveaux in diesem Nachtclub? Das ist ein Werwolf, Schatz«, fügte Russell an Bart gewandt hinzu.
»Ja, Sir.« Wieso erinnerte er sich denn ausgerechnet an dieses Detail?
»Hat Herveaux' Vater sich nicht um den Posten als Rudelführer von Shreveport beworben?«
»Ja, richtig. Aber er ist... äh, er hat den Posten dann nicht bekommen.«
»An dem Tag ist der alte Herveaux also gestorben?«
»Ja«, bestätigte ich. Bart hörte aufmerksam zu, während er Russell die ganze Zeit mit der Hand über den Rücken strich. Eine offenherzige Geste.
In diesem Augenblick erschien Quinn an meiner Seite und legte den Arm um mich. Russells Augen wurden immer größer. »Meine Herren«, sagte Quinn zu Indiana und Mississippi, »es ist alles vorbereitet für Ihre Hochzeit. Wir warten nur noch auf Sie.«
Die beiden Könige lächelten einander an. »Na, kalte Füße?«, fragte Bart Russell.
»Nicht, wenn du sie mir wärmst«, erwiderte Russell mit einem Lächeln, das einen Eisberg geschmolzen hätte. »Und außerdem würden unsere Rechtsanwälte uns umbringen, wenn wir von diesen Verträgen zurücktreten.«
Sie nickten beide Quinn zu, der auf das Podium am Ende der Ausstellungshalle sprang. Er breitete die Arme aus, und seine tiefe Stimme dröhnte über den Lärm der Leute hinweg, als er ins Mikrofon sprach: »Ich bitte um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit, verehrte Damen und Herren, Könige und Untergebene, Vampire und Menschen! Sie alle sind eingeladen, im Zeremoniensaal Zeuge der Verbindung zwischen dem König von Mississippi, Russell Edgington, und dem König von Indiana, Bartlett Crowe, zu werden. Die Hochzeit beginnt in zehn Minuten. In den Zeremoniensaal gelangen Sie durch diese Flügeltür dort.« Quinn zeigte hoheitsvoll in die richtige Richtung.
Während er sprach, hatte ich Gelegenheit, sein Äußeres zu bewundern. Er trug eine scharlachrote Pluderhose, die in der Taille wie bei einem Preisboxer von einer breiten goldenen Schärpe zusammengehalten wurde und in schwarzen Lederstiefeln steckte. Sein Oberkörper war nackt. Er sah aus wie Dschinni, der Lampengeist aus › Aladdin ‹ , der gerade aufgetaucht war.
»Das ist Ihr neuer Freund?«, fragte Russell. »Quinn?«
Ich nickte. Er wirkte beeindruckt.
»Ich weiß, Sie haben gerade andere Dinge im Kopf«, begann ich spontan, »und Sie werden gleich heiraten. Aber ich will nur noch sagen, ich hoffe, wir sind quitt. Sie sind doch nicht irgendwie böse auf mich oder hegen einen Groll oder so was?«
Bart nahm die Glückwünsche der versammelten Vampire entgegen, und Russell sah zu ihm hinüber. Dann tat er mir den Gefallen und konzentrierte sich noch einmal auf mich, obwohl er eigentlich jede
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