Vampire sind die beste Medizin: Argeneau Vampir 9
Kinder ihn gefunden hatten. Und deshalb sollte sie wohl fürs Erste besser vermeiden, mit Julius allein zu sein. Wäre er nicht in der Lage, sie zu lesen, hätte er das ganz sicher erwähnt. Also konnte er sie lesen, oder aber er hatte es bislang einfach noch nicht versucht.
So oder so war es besser, seine Nähe zu meiden, bis sie eindeutig wusste, ob er sie lesen konnte oder nicht. Sie konnte ihn schon jetzt besser leiden als jeden Mann, dem sie in ihrem langen Leben begegnet war, und sie fühlte sich auch zu ihm hingezogen. Aber wenn sie jetzt einen Fehler machte, lief sie Gefahr, wieder jahrhundertelang dafür büßen zu müssen. Nachdem sie diesen Entschluss gefasst hatte, zog sie die Vorhänge zu, rollte sich auf der Sitzbank zusammen und schlief ein – nur um wenige Stunden später durch lautes Klopfen an der Tür aus dem Schlaf gerissen zu werden.
Mit kleinen Augen und erschöpft von zu wenig Schlaf und zu wenig Blut, stand sie auf und wankte schlaftrunken zur Tür. „Marguerite!“, rief Tiny, als sie aufgemacht hatte. „Alle warten unten in der Lobby auf dich, Julius checkt gerade aus, und du bist noch nicht mal angezogen!“ Nur mit Mühe nahm sie seine finstere Miene wahr, und sie verzog das Gesicht. Warum mussten Männer eigentlich immer derart aufbrausend sein? Oder lag es an ihr, dass Männer in ihrer Gegenwart so reagierten? „Beweg dich, Frau!“, forderte er sie auf, drehte sie herum und dirigierte sie von der Tür weg in Richtung Badezimmer.
„Geh duschen, in der Zeit lege ich dir was zum Anziehen raus.“
Abrupt blieb sie vor der Badezimmertür stehen und stemmte sich gegen Tiny, da sie mit einem Mal hellwach war. „Ich suche mir meine Sachen selbst zusammen.“
„Marguerite!“, schnaubte er.
„Du wirst nicht in meiner Unterwäsche herumwühlen“, fuhr sie ihn an.
„Oh!“, erwiderte Tiny und hielt inne. „Ja, stimmt. Okay, such dir deine Sachen selbst raus.“
Wäre sie nicht so schlecht gelaunt gewesen, hätte sie über seine plötzliche Verlegenheit laut gelacht. Kopfschüttelnd zeigte sie auf die Tür: „Raus mit dir! Ich bin in zehn Minuten unten.“
Tiny zögerte kurz, dann brummte er: „Ich will’s für dich hoffen, sonst verpassen wir nämlich unseren Zug.“ Sie wartete, bis er das Zimmer verlassen hatte, dann stürmte sie zu ihrem Koffer, suchte Kleidung heraus und hetzte ins Badezimmer, um zum ersten Mal in ihrem Leben zu duschen. Sie fluchte, als ihr Shampoo in die Augen lief, und sie fluchte erneut, als ihr einfiel, dass sie in der Nacht völlig vergessen hatte, Bastien wegen der Blutlieferung anzurufen.
Die Stunden mit Julius hatten sie zu sehr abgelenkt. Ist es jetzt auch wieder zu früh, um ihn anzurufen?, fragte sie sich, während sie sich flüchtig abtrocknete und noch immer halb durchnässt ihre Kleidung anzog.
Während sie mit der einen Hand ihre Sachen in den Koffer warf, bürstete sie mit der anderen ihr feuchtes Haar nach hinten. Dann landete auch die Bürste im Koffer, den sie schnell schloss. Sie war bereit. Zumindest so bereit, wie die wenige zur Verfügung stehende Zeit es erlaubte. Noch schnell ein wenig Lippenstift, und schon verließ sie die Suite und rollte ihr Gepäck hinter sich her zum Aufzug. Im Foyer warteten Julius, Marcus, Christian und Tiny bereits auf sie, als sie den Lift verließ. Die erleichterten Mienen der Männer bescherten ihr prompt Schuldgefühle, doch dann der Männer bescherten ihr prompt Schuldgefühle, doch dann fiel ihr auf, dass Dante und Tommaso fehlten.
„Wo sind die Zwillinge?“, wollte sie wissen.
„Die sind auf dem Weg zum Flughafen. Zu Hause muss Verschiedenes erledigt werden, und die beiden werden dort gebraucht“, antwortete Julius, nahm ihr den Koffer ab und reichte ihn weiter an seinen Sohn, während er selbst Marguerites Arm fasste und sie in Richtung Ausgang dirigierte.
Draußen warteten bereits zwei Taxis auf sie. Sie teilten das Gepäck auf beide Wagen auf, Marguerite, Tiny und Julius nahmen das erste, Marcus und Christian das zweite. Der Verkehr auf den Londoner Straßen war erträglich, was auch ihr Glück war, denn als sie den Bahnhof King’s Cross erreichten, blieben ihnen buchstäblich nur Sekunden, ehe ihr Zug abfuhr. Sie hetzten durch die Bahnhofshalle auf den Bahnsteig, wo sie gerade noch in den ersten Waggon einsteigen konnten. Dann setzte sich der Zug auch schon in Bewegung.
Julius hatte die Fahrkarten gebucht und zwei Tische reserviert, einen mit vier Plätzen, dazu einen weiteren mit
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