Vampire's Kiss
Akzent –, wäre die Sache von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Das konnte ich ihm einfach nicht antun.
Ich nahm mein Tablett wieder auf. »Keine Chance, Alter. Die Jury hat was gegen dich.«
Harte Worte, aber ich sagte sie mit einem Zwinkern. Ich lernte allmählich dazu.
Ich gesellte mich zu den anderen am Tisch, gleichzeitig mit Sucher Judge, der uns im letzten Semester in Phänomenologie unterrichtet hatte. Ich mochte den klugen Dozenten mit seiner wilden Haarmähne und dem warmherzigen Blick – ehrlich und offen, ein echter WYSIWYG -Typ.
»Acari Drew, wir haben uns lange nicht gesehen.« Er schien echt erfreut, mich zu sehen.
»Sie war mit Alcántara beschäftigt«, warf Amanda trocken ein.
Mein Lächeln erstarrte ein wenig. »Ich bin noch am Leben«, sagte ich, ohne auf ihre Spitze einzugehen. »Auch wenn Master Dagursson sich größte Mühe gibt, mich mit seinen Tanzschritten zu Tode zu quälen. Und ich habe tatsächlich viel Zeit mit Alcántara verbracht. Mir blieb gar nichts anderes übrig.« Ich warf Amanda einen giftigen Blick zu. »Unsere Mission ist für nächsten Monat geplant.«
»Weißt du schon, wohin es gehen soll?«, fragte Yas mit vollem Mund. Also, ihm würde ein Kurs in Etikette ganz bestimmt nicht schaden.
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung.« Ein Schauer überlief mich, als ich einen tiefen Zug eisgekühltes Blut aus meinem Kristallglas nahm. Die dicke rubinrote Flüssigkeit hatte mich anfangs angewidert, aber inzwischen empfand ich den Geschmack als angenehm und zutiefst wohltuend.
Ich wusste nicht recht, warum es am Tisch plötzlich still geworden war. Dass Yas und Emma nur Augen füreinander hatten, verstand ich noch. Und es ärgerte mich auch nicht mehr. Ich beobachtete die beiden wie eine Anthropologin. Oder eben wie eine selbstlose Freundin.
Die Spannung am Tisch ging eher von der Dreiergruppe Ronan, Amanda und Judge aus. Sie verbreiteten ein Unbehagen, das allen anderen das Essen verleidete. Und dabei hatte ich mich so gefreut, meinen hochgeschätzten Dozenten Judge wiederzusehen.
»Ich muss los«, sagte Ronan unvermittelt. Er stand auf und nickte Amanda bedeutungsvoll zu.
Gleich darauf erhob sich auch Amanda – Überraschung, Überraschung . »Ich auch.«
Ich legte die Gabel weg. Diese Geheimniskrämerei ging mir allmählich auf den Senkel. Konnten die Leute nicht einfach sagen, was los war? In jüngster Zeit hatte ich das Gefühl, als sei ich von allem ausgeschlossen – als müsste ich meinen Freunden jede Information mit Gewalt aus der Nase ziehen.
Als Ronan und Amanda den Speisesaal verließen, beschloss ich daher, ihnen nachzuspionieren. Ich schaufelte mein Stew im Eiltempo in mich hinein, schob noch ein trockenes Brötchen in meine Tasche und folgte den beiden in sicherer Entfernung, voll und ganz davon überzeugt, sie in flagranti zu erwischen.
Dass ich Emma zur Rede gestellt und sie gezwungen hatte, Farbe in Sachen Yasuo zu bekennen, hatte eine schwere Last von meinen Schultern genommen. Es fühlte sich gut an, über die Dinge zu reden, anstatt sie nur von außen zu beobachten. Ich hatte vor, auch Ronan und Amanda klarzumachen, dass ich über sie Bescheid wusste. Vielleicht entspannte das unser Verhältnis ein wenig.
Ich blieb ihnen unauffällig auf den Fersen, und ich machte das, wenn ein wenig Eigenlob erlaubt ist, gar nicht schlecht. Das intensive Training zahlte sich allmählich aus – James Bond hätte mich beneidet.
Aber dann geschah etwas Unerwartetes. Ich versteckte mich hinter einer Hecke am Wegrand, als die beiden den Wohntrakt der Acari erreichten und sich dort verabschiedeten, ohne jede Umarmung oder sonstige Zärtlichkeit. Amanda ging wortlos ins Haus.
Hatten sie sich gestritten? Oder waren sie nur diskret? Jedenfalls verhielten sie sich nicht so, wie sich ein Liebespaar meiner Vorstellung nach verhalten sollte.
Ich legte einen Zwischenspurt ein, um Ronan nicht aus den Augen zu verlieren, und sah, dass er den Fußweg zur Küste hinunter einschlug. Was wollte er dort? Bestimmt keinen Wassersport treiben, denn er hatte weder sein Surfbrett noch seinen Neoprenanzug dabei.
Und warum fuhr er nicht einfach an den Strand? Er gehörte zu den wenigen Leuten, denen es gestattet war, die SUV s zu benutzen, die zum Campus gehörten. Hieß das, dass er unbeobachtet bleiben wollte?
Nun, er ging jedenfalls zu Fuß, und ich folgte ihm. Eben als ich zu dem Schluss gelangte, dass mein Unternehmen blödsinnig war – bei meinem sprichwörtlichen
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