Vampire's Kiss
starrte ihn fassungslos an. Mein Herz hämmerte, und ich war plötzlich meiner Seele beraubt. Ich presste die Hand an meine Lippen, die noch von seinem Kuss vibrierten.
Schwindel erfasste mich. Warum küsste er mich? Warum wurde ich von meinen Gefühlen geradezu überwältigt? Eine innere Stimme riet mir zur Flucht, aber das brachte ich nicht über mich. Meine Stimme klang schwach und verwirrt. »Warum hast du –?«
»Was hast du da angerichtet?«, unterbrach er mich wütend. Seine Augen waren zu schmalen Schlitzen verengt. »Was hast du uns angetan, Mädchen?«
Seine Worte schwappten wie eisige kleine Meereswellen auf mich zu und rollten über mich hinweg. »Ich habe dich gerettet.«
»Mich gerettet? Du hast meinen Untergang besiegelt.«
Ich sagte mir, dass er trotz des Kusses ein Fremder für mich war – ein sehr launischer Fremder. Dennoch konnte ich nicht einfach weglaufen. Und ich konnte nicht kämpfen. Aber ich war jetzt auf der Hut und wich vor ihm zurück. »Nichts zu danken. Gern geschehen.«
Aber er war mit einem Schritt wieder bei mir. »Das ist kein Spiel, Mädchen.« Er fasste mich am Kinn und zwang mich, ihn anzusehen. »Du scheinst nicht zu verstehen, worum es geht. Deshalb hör mir genau zu. Du darfst niemandem erzählen, was du getan hast!« Er schob mein Kinn noch etwas höher. »Schwöre es! Niemand darf erfahren, dass ich dein Blut getrunken habe!«
Ich riss mich von ihm los, aber ich empfand keinen Zorn oder Hass auf ihn. Alles, was ich spürte, war eine seltsame Einsamkeit. »Also schön. Ich schwöre es.«
»Wir müssen hier weg.« Er beugte sich über mich, und obwohl seine Worte barsch klangen, war seine Berührung sanft, als er mich hochzog. »Kannst du laufen?«
Ich nickte. Bis zu dem Moment, da er mich anblaffte, war ich so von Stolz gebläht gewesen. Ich hatte geglaubt, das Richtige zu tun. Nun kam ich mir dumm vor und genierte mich für mein vorschnelles Handeln. Wenn es ein Fehler gewesen war, ihn mein Blut trinken zu lassen, musste ich alles tun, um ihn wiedergutzumachen.
Er wischte sich die Blutspuren aus den Mundwinkeln. »Ich weiß, dass Hugo einen festen Plan hatte, aber den müssen wir jetzt ändern.«
Alcántaras Strategie zu durchkreuzen, war ganz bestimmt falsch. Es war Alcántaras Meinung, die zählte. Er würde es mir nie verzeihen, wenn ich improvisierte. Er würde mich in Zukunft genau überwachen und nicht mehr selbständig handeln lassen. Und das hieß, dass ich meine Flucht vergessen konnte.
Aber irgendwie war mir das im Moment völlig egal. Irgendwie erschien es mir wichtiger, McClouds Wertschätzung zurückzugewinnen. Er starrte mich an und wartete auf meine Antwort. Er wirkte so groß und stark, dass ich mich am liebsten in seine Arme geflüchtet hätte.
Ich schüttelte den Kopf. Dieser Kuss. Dieser Kuss hatte mich verändert. Ich versuchte, einen klaren Kopf zu bekommen. »Was ist da eben geschehen?«
Er nahm meine Hand und zog mich mit. »Später. Wir werden später Zeit finden, darüber zu sprechen. Jetzt müssen wir fliehen.«
Ich riss mich los. »Ich rühre mich nicht von der Stelle, bis ich weiß, was du mir angetan hast.«
»Ach, Mädchen, es geht darum, was du mir angetan hast!« Er starrte mich einen Moment lang an, und dann wurden seine Züge weicher. Ich hatte eine andere Reaktion erwartet – etwas in der Art von Ronans Frust, wenn ich wieder gegen eine Regel verstoßen hatte. Deshalb war ich verblüfft, als bei aller unterschwelligen Trauer plötzlich ein Lächeln auf seinem Gesicht erschien. Auch seine Augen funkelten belustigt. »Wir sind einen Bund eingegangen.«
Ich riss die Augen weit auf. »Einen Bund?«
Er nahm mich an den Schultern, drehte mich herum und schob mich aus der Zellentür. Im Gehen redete er weiter. »Es ist Folgendes geschehen: Hugo hat ein gefährlich naives Kind in die Welt hinausgeschickt, und nun bist du an uns gebunden.«
»Ich bin kein Kind.«
»Wenn du meinst.«
»Ich verstehe das alles nicht. Bist du jetzt wütend?«
Er schob mich sanft den Korridor entlang. »Wie es scheint, bin ich trotz größter Anstrengungen noch nicht tot. Deshalb bin ich, aye, fuchsteufelswild. Aber wir McClouds sind Ungemach gewöhnt.«
Dass ich der Anlass für seinen Ärger war, beunruhigte mich mehr, als ich gedacht hatte. »Dann bitte ich um Verzeihung.« Ich blieb unvermittelt stehen, und er stieß mit mir zusammen. »Ich kann mir nicht viele Dinge vorstellen, die mehr Ungemach bereiten, als allein in einer dunklen Zelle zu
Weitere Kostenlose Bücher