Vampirnacht
der brave Bürger gern Buffy spielen würde.
Wade und ich waren ein paarmal miteinander ausgegangen, aber seine Mutter war ein echtes Hindernis gewesen – eines, das ich nicht hatte überwinden wollen. Belinda Stevens war die potenzielle Schwiegermutter, die jede Frau in ihren schlimmsten Albträumen erlebte. Und als wir die Villa betraten, lauerte uns niemand anders auf als – Belinda Stevens.
»Menolly!« Belinda eilte herbei. Sie war eine kleine, stämmige Frau, deren hochtoupiertes, kupferrotes Haar mit so viel Haarspray lackiert war, dass man schon einen Backstein gebraucht hätte, um ihre Frisur zu ruinieren. Hinzu kamen ein prolliger New-Jersey-Akzent und ein schauderhafter Hosenanzug aus Kunstleder in leuchtendem Giftgrün – sie war unmöglich zu ignorieren. Dabei stammte Belinda Stevens gar nicht von der Ostküste. Ich wusste ganz sicher, dass sie in Seattle geboren und aufgewachsen war.
Ihre glänzenden kleinen Augen fixierten mich wie eine Ente durchs Zielfernrohr. Ich hätte mich lieber mit Gulakah persönlich angelegt, statt zufällig Wades Mutter zu begegnen.
»Menolly, wie geht es dir? Wie ich sehe, hast du deine Freundin mitgebracht, nein, wie reizend – erst neulich habe ich Wade gesagt, wie schade ich es finde, dass ich dich nur noch so selten sehe. Wade, habe ich gesagt, warum lädst du nicht mal diese netten D’Artigo-Mädchen zum Abendessen ein? Aber er wollte nichts davon wissen.
So
typisch – du weißt ja, wie das ist, Jungs! Die hören nie auf ihre Mütter! Wir schuften und ackern, um ihnen ein gutes Leben zu ermöglichen, und dann werden sie einfach erwachsen, und weg sind sie. Der größte Jammer ist ja, dass ich nie Enkelkinder haben werde – aber es würde ja auch niemand glauben, dass ich alt genug bin, um Großmutter zu werden …«
Nur fünf Minuten von diesem näselnden Geschwätz, und ich hätte sie pfählen können. Obendrein brauchte sie ja nicht einmal mehr zum Luftholen eine Pause zu machen. »Mrs. Stevens … Belinda, bitte entschuldige, aber ich bin mit Roman verabredet.«
Ihre Augen glitzerten, sie öffnete und schloss ein paarmal den Mund wie ein Fisch auf dem Trockenen und zwang sich dann zu einem zähnefletschenden Lächeln. »Ich glaube, er ist irgendwo im großen Saal. Welch ein Glück für dich, dass du so einen einflussreichen Freund gefunden hast, meine Liebe. Und welch ein Glück für ihn, eine der
mächtigen D’Artigo-Schwestern
zur Gefährtin zu haben.« Damit wandte sie sich einem Grüppchen Vampire zu, die gerade das Foyer betreten hatten.
Ich hakte mich bei Nerissa unter und führte sie in den großen Saal. Camille und die anderen folgten uns nach.
Wo jetzt der Saal war, hatten ursprünglich Sassys Salon, ihr Arbeitszimmer und Wohnzimmer gelegen. Wade hatte die Wände herausgerissen und aus den drei Räumen diesen einen gemacht, so dass uns für unsere Treffen jetzt ein eleganter Saal zur Verfügung stand, der Platz für über hundert Leute bot. Was sich auch für den ÜW -Gemeinderat als sehr praktisch erwiesen hatte, seit das Gemeindezentrum nach einem Bombenanschlag niedergebrannt war. Ein neues wurde schon gebaut, aber es würde erst in einigen Monaten fertig sein. Deshalb hatte der SVN seine Türen für den ÜW -Gemeinderat geöffnet.
Der Saal füllte sich bereits. Seit Wade dieses neue Zentrum vampirischen Lebens eröffnet hatte und Roman die AB offiziell förderte, zog der SVN die Vampire in Scharen an. Die Anonymen Bluttrinker waren keine kleine, isolierte Selbsthilfegruppe mehr – die Mitglieder kamen inzwischen aus dem gesamten Umland, und es wurden sogar neue Ortsgruppen gegründet, von Bellingham bis nach Portland, Oregon.
Roman hatte Wade die Aufgabe anvertraut, eine ausgewählte Gruppe von Mentoren für den Umgang mit den nicht immer einfachen Mitgliedern zu schulen. Er konnte zwar schlecht hingehen und einen Haufen Psychologen verwandeln, damit jemand das nötige Fachwissen vermittelte. Aber ein paar Ärzte und Therapeuten waren bereit, mit den Vampiren zusammenzuarbeiten und diejenigen auszubilden, die sich für die diversen Heilkünste interessierten. Es war uns gelungen, eine Verbindung zur Ärzteschaft herzustellen, die noch recht unsicher war, aber immer stärker wurde. Und die Mediziner waren bereit, unseren Einsatz für die Bürgerrechte von Vampiren zu unterstützen.
Blodweyn, Romans Mutter und Königin des Vampirvolks, auch der Purpurne Schleier genannt, hatte den Seattle Vampire Nexus und die Anonymen
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