Vampirnacht
Augen glänzten angstvoll. »Danach konnte ich es nicht mehr ignorieren. Ich musste mir eingestehen, dass hier etwas nicht stimmt.«
»Ein Poltergeist vielleicht. Was ist sonst noch vorgefallen?« Ich hatte in den letzten Monaten für meinen Geschmack zu viel über Geister gelernt. Es gefiel mir nicht, wie viele verschiedene ich aus dem Stegreif hätte nennen können.
»Wir haben ein paar Tage Pause gemacht«, fuhr Abby fort. »Ich glaube, wir haben uns beide davor gefürchtet, wieder herzukommen. Aber dieses Haus gehört uns, wir konnten doch nicht einfach aufgeben. Also sind wir eine Woche später wiedergekommen. Zwei Tage lang war alles ruhig. Am dritten Tag haben wir uns den Dachboden vorgenommen. Ich hatte ihn noch nicht entrümpelt, und wir haben mehrere alte Truhen rausgeschleppt. Eine hatte den Mönchen gehört, es lagen ein paar alte Gewänder darin, und Unterlagen. Ich habe sie dem Orden geschickt. Aber die andere …«
»Die andere Truhe enthielt lauter Sachen von einem kleinen Mädchen«, übernahm Fritz. »Vom Säuglingsalter bis ungefähr zum Alter von zehn Jahren. Als ich die Truhe aufgeklappt habe, hat es sich angefühlt … na ja, beinahe so, als wäre etwas herausgeschlüpft – ein Schatten oder so etwas in der Art.«
Abby nickte. »Ich habe es auch gespürt. Als wir die Truhe die Treppe hinuntergetragen haben, hat mich etwas von hinten geschubst. Ich habe die Truhe fallen gelassen – ich hatte sie am vorderen Ende – und bin die Treppe hinuntergestürzt. Wenn Fritz sie nicht am anderen Ende festgehalten hätte, hätte das Ding mich erschlagen.«
»Unmittelbar vor ihrem Sturz ist etwas Kaltes an mir vorbeigezogen, und ich habe einen Mann lachen hören. Eine tiefe Stimme. Und dann hat Abby geschrien und die Truhe hätte mich beinahe die Treppe heruntergezogen, als Abby sie losgelassen hat. Ich dachte … Als ich sie da unten habe liegen sehen, dachte ich, sie hätte sich das Genick gebrochen.« Er barg den Kopf in den Händen und rieb sich die Schläfen. »Ich dachte, sie sei tot«, flüsterte er.
»Ich habe mir den Knöchel verstaucht und mir den kleinen Finger gebrochen. Aber es hätte viel schlimmer sein können.« Abby nahm sich einen Keks und biss hinein. Ein Schokokrümel blieb in ihrem Mundwinkel hängen, und sie wischte ihn weg. Ihre hellrosa Lippen hatten einen bezaubernden Schwung, und mir fiel auf, wie hübsch sie war. Ihre Augen hatten einen fesselnden Blauton und glänzten wie Marmor in der Sonne.
»Was habt ihr dann gemacht?«
»Ich habe sie ins Krankenhaus gebracht, und wir sind eine Weile nicht wieder hergekommen. Erst diese Woche. Wir hatten uns darauf geeinigt, dass wir uns nicht aus unserem eigenen Haus verscheuchen lassen. Ich habe ein bisschen nachgeforscht und gelesen, dass man mit Salbei Energien reinigen kann. Also sind wir gestern hergekommen und haben das ganze Haus mit Salbei ausgeräuchert. Danach fühlte sich alles leichter an. Und dann, heute Nachmittag auf dem Dachboden, haben wir einen Mann gesehen.«
»Es war schrecklich«, fiel Abby ein. »Wir konnten sein Gesicht nicht sehen, aber er war wütend – so wütend. Er hat mich beobachtet, und dann … ich weiß nicht, wie ich das beschreiben soll, aber er … er …«
»Er hat sie angegriffen.« Fritz’ Stimme war heiser. »Ich konnte mich nicht rühren. Ich war auf einmal wie gelähmt. Ich habe auf dem Boden gesessen und an einer Lampe gearbeitet. Dann habe ich aufgeblickt, und auf einmal konnte ich mich nicht mehr bewegen. Ich habe gesehen, wie Abby auf den Rücken flog, und irgendetwas hat ihre Bluse aufgerissen.«
Abby begann zu weinen. »Was es auch war, es hat am Reißverschluss meiner Jeans herumgezerrt, und ich habe um mich getreten und versucht, mich irgendwie zu befreien. Er hat mir die Arme über dem Kopf auf den Boden gedrückt. Ich weiß nicht, wie – er hätte vier oder fünf Hände haben müssen, um das alles gleichzeitig zu tun. Ich dachte schon, er würde mich … Aber dann ist etwas anderes an mir vorbeigehuscht. Der Geist hat mich losgelassen, und ich konnte spüren, wie er dieser anderen Energie gefolgt ist – beinahe so, als würde er sie jagen. Ich habe ein kleines Mädchen lachen gehört, dann ein Knurren, und dann … dann waren sie weg.«
»Und was habt ihr getan?«, fragte Chase.
»Wir sind die Treppe hinuntergerannt – Fritz konnte aufstehen, sobald der Mann weg war – und haben dich vom Auto aus angerufen. Ins Haus haben wir uns erst wieder getraut, als du
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