Vampirnacht
mich an der Schulter, ich wurde nach vorn geschleudert und prallte gegen Camille und Morio. Camille kreischte, der Zauber brach, und die beiden fielen hintenüber. Ich riss den Schraubenzieher aus meiner Schulter, und ein träger Schwall Blut trat aus der Wunde. Vampire bluteten nur sehr langsam, und meine Wunde tat höllisch weh, begann sich jedoch sofort zu schließen. Ich wirbelte herum und stand vor dem Geist, der immer noch auf uns zuwalzte.
Der Zauber mochte gebrochen sein, doch die Wirkung hielt noch einen Moment an. Jetzt konnten wir den Geist richtig sehen. Er war männlich, etwa fünfzig und trug Frack und Zylinder. Sein Haar war schulterlang und strähnig, und das lüsterne Grinsen in seinem Gesicht machte mich furchtbar nervös. Erst kam ich nicht dahinter, warum, doch dann erkannte ich den Ausdruck wieder. Der Mann strahlte dieselbe kalte Gier aus wie Dredge. Dieser Mann … Geist … war ein Sadist gewesen. Er war abscheulich gemein, und der Tod hatte ihn in dieser Hinsicht nicht verändert.
Er blieb nicht stehen, sondern kam schnurstracks auf mich zu. »Kleines Mädchen. Du wirst sterben.« Seine Stimme klang wie hundert vertrocknete, leere Schoten im Wind. Seine Augen glitzerten vor Vorfreude, er streckte die Hand nach mir aus, eine Art Stromstoß durchfuhr mich und schleuderte mich durch den Raum.
Ich knallte neben Chase und den Liebmans an die blutige Wand und glitt zu Boden. Rasch fuhr ich mit dem Zeigefinger durch das Blut und leckte vorsichtig daran, ohne etwas davon zu schlucken.
»Das ist kein Blut! Ich weiß nicht, was es ist, aber Blut ist es nicht.« Ich beäugte den Geist und überlegte, wie zum Teufel ich ihn angreifen sollte. Er hatte mich nicht mit irgendetwas Greifbarem berührt, und ich war nicht sicher, ob ich ihn überhaupt treffen konnte.
Camille und Morio waren aufgestanden und fassten sich wieder bei den Händen. Mir sträubten sich die Härchen im Nacken.
Die beiden hatten etwas Großes vor, und ich dachte nur noch: Nichts wie raus hier. Ich wich zurück, und sie marschierten mit gesenkten Köpfen auf den Geist zu.
Der ignorierte mich und nahm sich die beiden vor.
Abby kreischte, und ich sah ein riesiges Gemälde in einem schweren bronzenen Rahmen durch die Luft wirbeln, verblüffend schnell. Morio und Camille hoben die verschränkten Hände, und das Bild prallte zurück wie von einer unsichtbaren Wand. Es krachte auf den Boden, Rahmen und Glas splitterten.
»Verlasst dieses Haus!«, donnerte der Geist. Die nackten Glühbirnen begannen zu flackern, blitzschnell an und aus wie ein Stroboskop. Fritz schrie auf und versuchte, Abby die Augen zuzuhalten.
»Mach die Augen zu!« Er war der Panik nahe. Abby starrte in die zuckenden Lichter, und ich bemerkte, dass sie einen Notfallanhänger um den Hals trug.
Scheiße. Epileptikerin!
Ich schoss hinter Morio und Camille herum zu Chase, der nun gemeinsam mit Delilah Fritz und Abby zu schützen versuchte. Rozurial fummelte an einer seiner selbstgebastelten Bomben herum. Plötzlich drehte er sich um und schleuderte das Ding auf die Tür. Eine Explosion erschütterte das Haus, und ein merkwürdiges, rosiges Licht erschien.
»Bringt sie raus! Der Geist kann erst mal nicht da durch!« Er wandte sich wieder unserem Gegner zu, rannte ein paar Schritte auf ihn zu, ohne Camille und Morio in die Quere zu kommen, und zückte im Laufen eine Wasserflasche.
Ich stellte keine Fragen. Ich riss Abby von den Füßen, nahm sie auf beide Arme und bedeutete Fritz, mir zu folgen. Chase setzte ihn mit einem Schubs in Bewegung, und erst dachte ich, der Detective würde uns nach draußen folgen, doch er kam nicht mit. Ich hatte keine Zeit, mich um ihn zu kümmern.
Fritz wollte die Haustür aufreißen, doch die rührte sich nicht. Also ließ ich die reglose Abby auf seine Arme gleiten und wandte mich der Tür zu. Mit einem zackigen Tritt sprengte ich das Schloss, und die Tür ging auf.
Ich nahm ihm Abby wieder ab und rannte zur Tür hinaus. Mit einem Satz sprang ich über die Veranda und die wackeligen Stufen hinweg und landete auf dem Weg. Während ich mit Abby auf den Armen die Auffahrt entlangrannte, zerriss ein Schrei die Nacht. Ich drehte mich um und sah Hände, die sich aus Löchern in der Veranda streckten. Sie hatten Fritz’ Beine gepackt. Er zappelte und versuchte, sich loszureißen.
Ich schloss den Jaguar auf, legte Abby auf den Rücksitz, knallte die Tür zu und raste zurück zur Veranda.
Fritz wurde in ein strudelndes Loch im Boden
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