Vampirnacht
ihm. Sharah habe ich es noch nicht erlaubt. Ich hatte die Hoffnung, dass ihr vielleicht irgendetwas spüren könnt … Ich habe leider keine Ahnung, was mit ihm geschieht.« Er biss sich auf die Lippe und fügte dann hinzu: »Körperlich geht es ihm gut – er ist fit und gesund. Diese Krampfanfälle haben ihn mitgenommen, aber ich glaube, davon kann er sich erholen. Das Koma, das ist unser Problem.«
Wir standen auf und folgten ihm. Sharah war in einem der Zimmer, an denen wir vorbeikamen. Sie kümmerte sich um eine junge Fee, die ziemlich krank aussah. Sie blickte zu uns auf und nickte stumm, als wir vorbeigingen.
Chase lag in einem Einzelzimmer fast am Ende des Flurs.
Ich hatte schon viel zu viel durchgemacht, um Krankenhäuser noch deprimierend zu finden, aber als wir ihn da liegen sahen mit geschlossenen Augen, die einzige Regung das sanfte Auf und Ab seiner Brust bei jedem ruhigen Atemzug, überkam mich eine kalte Wut. Chase hatte nicht um die seltsamen Dinge gebeten, die mit ihm geschahen, und hier lag er nun, eine Spielfigur in einer verzweifelten Partie. Vielleicht war es auch nur ein wahlloser Zufall, aber von solchen Zufällen hatte ich die Schnauze voll. Das Universum hatte echt einen kranken Sinn für Humor.
»Ach, Chase …« Delilah trat langsam an das Bett und nahm seine linke Hand. Es kam mir falsch vor, dass Sharah nicht hier war, aber ich verstand Mallens Begründung dafür. Wir mussten sie schützen, solange wir nicht wussten, womit wir es bei Chase zu tun hatten. Ich warf Shade einen Blick zu. »Hast du eine Möglichkeit, herauszufinden, was mit ihm passiert ist?«
Shade bedeutete meinen Schwestern, beiseitezutreten. Er stellte sich neben Chases Kopf und sagte: »Mach bitte das Licht aus. Ich muss in den Schatten arbeiten.«
Ich vergewisserte mich, dass ich wirklich nur Lichtschalter betätigte, und schaltete sämtliche Beleuchtung ab. Es wurde dunkel im Zimmer, nur die blinkenden Apparate, die seinen Blutdruck, Herzschlag und so weiter überwachten, spendeten noch ein wenig Licht.
Shade legte beide Hände an den Kopf des Detectives und schloss die Augen. Ich konnte kaum erkennen, was sich da tat, doch dann floss ein Schimmer zwischen seinen Fingern hervor – ein helles Violett, die Farbe der Schattenwelt, der Todesmagie, die Farbe der Schatten und Geister.
Ich trat dichter an Delilah heran, und sie griff nach meiner Hand. Ich drückte ihre Finger und spürte ihr ängstliches Zittern. Morio und Camille hielten sich an den Händen und beobachteten Shade gespannt. Wir standen still da und warteten, während sich ein dünner Rauchschleier um Shade bildete und er sich darin auflöste. Es sah aus, als zerfiele sein Körper in winzige Pünktchen.
Beam mich hoch, Scotty.
Dieser Gedanke schoss mir ungebeten durch den Kopf, und wenn wir nicht mitten in einer Krisensituation gestanden hätten, hätte ich laut gelacht. Delilah schnappte nach Luft und umklammerte meine Hand noch fester. Der Rauch, in dem Shade aufgegangen war, drang nun in Chase ein – durch dessen Nase.
»Er geht auf die Suche nach Chases Bewusstsein«, flüsterte Camille.
Sie blickte auf, und ihre violetten Augen waren mit Silber durchsetzt. Auch Morios Augen glänzten. Shades Magie wirkte auf die beiden, sie gerieten in Resonanz mit dem, was er tat. Delilah begann zu schwanken und ließ plötzlich meine Hand fallen. Wo sie einen Augenblick zuvor noch gewesen war, stand jetzt ein großer, geschmeidiger schwarzer Panther mit einem edelsteinbesetzten Halsband neben mir. Sie tapste zum Bett und setzte die Vorderpfoten am Fußende auf das Laken. Ich trat vor, bereit, sie zurückzuziehen, falls es nötig sein sollte, doch sie sah nur zu.
Camille und Morio stimmten einen leisen Sprechgesang an, so leise, dass ich ihn kaum hören konnte. Mallen hielt sich zurück, beobachtete uns und wartete ab. Ich zwang mich zur Ruhe.
Hinein als ein Schatten, hinein durch die Schatten,
Nutze die Pfade, die wir dir geschaffen
Öffne die Tür, zur Psyche tritt ein
Deine Geheimnisse sind nicht mehr geheim.
Ein Lichtschimmer bildete sich in ihrem Atem und floss über Chase hinweg wie eine sanfte Welle, bis er vollständig davon bedeckt war. In wirbelnden Wölkchen hüllte der Schimmer seinen ganzen Körper ein.
Einen Moment später hörten wir eine schwache Stimme aus dem Nebel.
»Ich weiß nicht, wo ich bin … helft mir …«
Es war Chase, und er klang verängstigt und ganz allein. Delilah neigte sich nach vorn, bis auch sie
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