Vampirsaga 02 - Honigblut
Hasdrubals Flucht vor ihr ihn nach Rom gebracht hatte, und war mehr als erleichtert, als sie seine Anwesenheit in ihrer Residenz spürte.
Dann starrte sie auf die kleine Träne, die an ihrem Zeigefinger glänzte.
„Was ist los?“ Xylos näherte sich ihr langsam, wie um zu testen, ob seine Anwesenheit erwünscht war.
„Das wüsste ich auch gerne!“, meinte Maeve. Sie überlegte, was sie mit der Träne anfangen sollte. Das kostbare Kleinod an ihrer Kleidung abzuwischen, schien nicht angebracht.
Xylos sah nachdenklich zu, wie Maeve gedankenverloren ihre Fingerspitze in den Mund nahm und mit einem unschuldigen Gesichtsausdruck die nasse Perle mit der Zunge einfing. Jennifer Schreiner Honigblut
Für ihn war es ein offenes Geheimnis, dass Hasdrubal seit jeher für Maeve geschwärmt hatte, sie vielleicht sogar liebte. Xylos selbst hatte diese Schwärmerei schon an seinem ersten Tag erkannt und seitdem Nacht für Nacht verfolgt.
Doch heute Nacht war die Spannung zwischen der Königin und ihrem ältesten Schatten unerträglich geworden und hatte die Grenze der harmlosen Besessenheit überschritten. In welche Richtung, konnte Xylos nur erahnen. Es ist leichter, in jemanden verliebt zu sein, wenn derjenige aufgrund von Wahnsinn unerreichbar ist. – Leichter, als für die Frau seines toten Bruders zu schwärmen.
Xylos scannte abermals die Umgebung. Er hatte wirklich gehofft, sein geheimer Verfolger würde wieder auftauchen, und hatte seine Idee mit Hasdrubal abgesprochen, kaum dass Sofia ihn auf die Idee gebracht hatte, sein eigenes Handy könne anderen Vampiren seine Position verraten.
Sorgfältig hatte er sich auf die nächste Nacht vorbereitet, dafür gesorgt, dass niemand merken konnte, dass es eine Frau – eine Vampirin – in seinem Leben gab, und sich in Position gebracht. Doch die ganze Nacht hatte der Callboy sich als Köder angeboten und war durch die Dunkelheit geschlendert, während Maeve und Hasdrubal – die einzigen Vampire, denen er neben Sofia und Edward noch traute – über ihn gewacht hatten. Vielleicht wirst du dein Vertrauen in Bezug auf Hasdrubal in Zukunft überdenken müssen.
„Ich habe wirklich gedacht, er würde darauf hereinfallen“, meinte er mit nicht viel Überzeugung in der Stimme.
„Oder sie!“, korrigierte Maeve und lächelte, als sie Xylos Verwirrung erkannte.
„Fee!“, schlug sie deswegen vor.
Was haben alle bloß mit Fee? „Es war aber ein Vampir!“, beharrte Xylos. Es war ihm egal, dass er sich dabei anhörte wie ein trotziges Kind.
„Es ist nicht schwer, ein Vampir zu werden!“, lachte Maeve. Das Geräusch klang glockenhell und erinnerte den Vampircallboy an einen sanften Tadel.
Er knirschte mit den Zähnen. „Ich glaube, ich habe ein Déjà vu!“, behauptete er. „Gorgias würde nie…“
Wieder lachte Maeve. Diesmal, als ahne sie seinen kommenden Einwand: „Menschen tun eine Menge dummer Sachen, wenn sie verliebt sind!“ Ihre Worte waren nahezu dieselben, die Sofia gebraucht hatte. „Und Vampire auch …!“
Doch auf einmal war sich Xylos nicht sicher, ob Maeve wirklich Gorgias und Fee meinte, oder sich und Hasdrubal. Jennifer Schreiner Honigblut
KAPITEL 21
Mit dem Warten und dem Hunger kamen die Ungeduld und schließlich die Wut.
Er hat nicht gesagt, wann er zurückkommt!, versuchte sich Melanie abzulenken. Da er ihr den Rock und die Bluse gestohlen hatte, war sie gezwungen gewesen, die Kleidung, die Xylos aus Sofias Wohnung gestohlen hatte, intensiver zu prüfen.
Inzwischen hatte sie sich für ein blaues Kleid entschieden, welches ihr zwar hübsch aber nicht zu aufreizend erschien. Zumindest nicht so aufreizend wie die anderen Kleidungsstücke, die der Vampir ausgewählt hatte.
Danach hatte sie drei der Bücher aus dem Regal überflogen und konnte sich nun nicht mehr konzentrieren. Längst war der Hunger nicht so schlimm und allverzehrend wie zuvor, aber er war da. Eine nagende Stimme in ihren Eingeweiden, die nur auf einen unbewachten Moment wartete, um machtvoll zuzuschlagen.
Sie hatte jeden Zentimeter des Raumes erforscht und untersucht. Kannte alles, was der Vampir an Büchern, CDs oder DVDs besaß, und ihre Langeweile war beinahe so drängend wie der Hunger.
Was ist, wenn ihm etwas passiert ist? Sie warf abermals einen Blick zur Uhr.
Sechzehntausend Stunden später, und es ist immer noch 3.16 Uhr mitten in der Nacht. Es machte sie nervös, eingesperrt zu sein, ließ sie
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