Vanilla High (German Edition)
Ich wollte die Tat endgültig machen. Ich musste die Programmiereinheit der Bombe zerstören und beseitigen. Als Erstes entfernte ich ihre Batterie. Mir kam es angemessen vor, die Einheit in den Ozean zu werfen. Auf der Karte von Vancouver und Umgebung suchte ich mir einen Kieselstrand aus, nicht allzu weit von meinem Hotel entfernt, ging zurück zu meinem Wagen und programmierte ihn. Fast wie berauscht nahm ich bei der Fahrt die Umgebung wahr, die einen eigentümlichen Reiz auf mich ausübt. Wenn die Randbedingungen stimmten, könnte ich mir vorstellen, auch hier zu leben, aber es gibt hier keinen Wein und kein Ganja. Könnte man wohl auch nur mit viel Risiken im Untergrund beziehen. Ich denke aber, dass ich letztendlich Reunion vorziehe, weil ich es tropisch mag. Ich mag in den warmen Nächten draußen sitzen, die ideale Umgebung für den Cocktail, den ich mir abends gestatte. Aber jetzt nimmt der Reiz der „exotischen“ Landschaft mich gefangen. Der Wagen erreichte sein Ziel in etwa zwanzig Minuten; von einer Großstadt war nicht mehr viel wahrzunehmen. Der Wagen steuerte einen Parkplatz an, der für Besucher dieses Strandes gedacht war. Eine kleine Bude lockte mit Fisch-Fast-Food und den Kleinigkeiten, die man Touristen so verkaufen will. Der Betreiber der Bude war mein einziger Zeuge, denn ansonsten war der Strand menschenleer. Der Himmel war grau und wolkenverhangen, aber es regnete noch nicht. Die Temperaturen waren merklich gefallen und lagen mindestens fünf Grad unter denen der Vortage. Die Bucht, in der der Strand lag, vollständig zu beschreiten, hätte vielleicht etwa eine viertel Stunde gebraucht, ringsherum Hügel und Berge. Ich eilte dem Meer entgegen, gegen die schwache Brandung und griff nach den ersten Kieselsteinen, um sie in die ruhige See zu schmeißen. Mehr als dreißig Meter waren mit meiner Wurftechnik nicht drin. Nach meiner Einschätzung musste Wassertiefstand vorherrschen, gute Voraussetzungen für meinen Plan. Ich entfernte mich ein gutes Stück von der Bude, griff immer wieder nach einem Kiesel. Dann zog ich aus der Tasche die kleine Einheit, deren Dichte deutlich höher war, als die von Wasser und schleuderte sie in diesen Ausläufer des Ozeans. Knapp zwanzig Meter waren es wohl. Ich hatte nicht das Gefühl, mit dieser Aktion voreilig gewesen zu sein. Auf dem Rückweg unterdrückte ich den Wunsch, beim Betreten der Bude nach einer Flasche Schnaps zu fragen. Die Al Capones der heutigen Zeit hatten es viel schwieriger, aber de Grey hatte mir gezeigt, dass es einen Untergrund für Spirituosen geben musste. Ich liege somit nüchtern auf meinem Hotelbett und erlaube es mir auch, meine Gedanken auf Frauen zu richten. Die Unverschämtheit, bei de Grey vorbeizufahren, und um eine Flasche Gin zu betteln, habe ich mir nicht geleistet. Ich hatte noch eine Kleinigkeit im Hotel gegessen, war etwas argwöhnisch, wie mein Darm reagieren würde, aber das Mittel terrorisierte mich nicht weiter. Ich habe jetzt vier Stunden Material, die ich für den Memento verwenden kann. Möglicherweise sehe ich sie mir morgen an, obgleich ich das Bedürfnis habe, erst auf Reunion meinen Artikel zu schreiben. Hier muss ich jetzt warten, auf Paris, dessen Flugplatz gut für mehrere Gläser Roten sind, unabhängig von der Uhrzeit meines Eintreffens. Es ist äußerst unwahrscheinlich, noch auf Zuckerberg zu treffen. Viel Neues hätte ich eh nicht erfahren, aber ein Interview mit einem der reichsten Männer der Erde ist schon nützlich für den Memento. Ebenso kann ich Elisabeth nicht wiedersehen. Ich hätte ihr gerne berichtet, gerne hätte ich sie nochmals geküsst, um die Dämonin Alina zu vertreiben, die jetzt wieder Besitz von mir ergreifen will.
1. Teil
Ich weiß nicht mehr, wie alles gekommen war, die Ereignisse hatten sich überstürzt! Es gab kein Interview mit Zuckerberg, stattdessen bekam ich ein Päckchen ohne Absender mit einer Flasche Gin und einer Dose mit Plätzchen. Ich habe von den Plätzchen genommen. Dann kam die Nachricht, dass mein Flug ausfallen würde. Ich saß in Vancouver fest. Reunion wurde ausschließlich von Paris angeflogen. Wegen eines heftigen Vulkanausbruchs und einer besonderen Wetterlage waren die Flughäfen von Paris geschlossen. Nur am Rande bekam ich mit, dass es sich bei dem Vulkan um den Vesuv handelte. Es ist eine Zeit der Panik. Ich konnte den Zeitpunkt der Explosion nicht mehr verändern, weil die Steuereinheit der Bombe im Ozean lag. Freitag
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