Vater Mond und seine Kinder (German Edition)
allerhöchste Zeit nach Hause zu ziehen, sonst lege ich noch eine Bruchlandung hin wie Vater Mond.“ Einen letzten Blick warf sie noch auf die Felder und Äcker der Bauern, dann setzte sie zum Landeanflug an. Glutrot versank sie hinter den Bergen. Nun war Vater Mond an der Reihe. Ungeduldig trippelte der schon an der Rampe hin und her. Kaum hatte sie die Landerampe verlassen, brauste Vater Mond mit Höchstgeschwindigkeit und jaulendem Motor aufwärts. „Was war los, wo brennt es denn?“ fragte sie sich verwundert. Mit dem Gedanken, dass sie früher oder später hinter sein Geheimnis kommen würde, schloss sie die Sonnenburg auf und ging hinein.
Die Abenddämmerung zog über den Wald und eine tiefe Stille breitete sich aus. Die großen und kleinen Nachttiere wurden munter und begaben sich auf Futtersuche. Majestätisch, nach allen Seiten sichernd, trat Oskar mit seiner Sippe aus dem dichten Unterholz auf die kleine Lichtung. Heißhungrig begannen sie zu äsen. Es war das erste, saftige Grün in diesem Jahr, auf das sie so lange verzichten mussten. Furchtlos tollten die Kitze auf der Wiese umher und sprangen übermütig über Stock und Stein. Als sie jedoch Anlauf nahmen, um über den kleinen Bach zu hopsen, der sich durch die Wiese schlängelte, wurden sie von ihren Müttern energisch zurückgepfiffen. Widerwillig folgten sie dem Ruf und begaben sich in ihre Nähe.
Oskar wirkte nervös und angespannt. Unruhig stampfte er mit seinen Hufen. Er schüttelte den Kopf und schnaubte. Nach dem Angriff der Wölfe war er übervorsichtig geworden. Er blickte hinauf in den Himmel und erstarrte. Ein winziger Punkt, der lautlos über der Wiese seine Kreise zog, erregte sein Misstrauen. Ein Steinadler. Mit ausgebreiteten, reglosen Schwingen glitt er durch die Luft. Urplötzlich schoss er im Sturzflug mit gespreizten Klauen dem Boden zu, um eines der Kitze zu ergreifen. Einen Augenblick lang zögerte Oskar, dann stürzte er furchtlos mit gesenktem Geweih auf den Steinadler zu, bereit, sich ihm im Kampf zu stellen. Die Ricken, vom Angriff des Steinadlers überrascht, stießen einen schrillen Alarmruf aus und verschwanden blitzschnell mit ihren Kitzen im schützenden Unterholz. Fast hatte Oskar den Steinadler erreicht, um ihn aufzuspießen, als dieser ihm mit knapper Not entwischte. Unwirsch über sein Pech kreischte der Adler wütend auf, schlug kräftig mit den Flügeln, drehte ab und beeilte sich, dem Gefahrenbereich des Geweihs zu entrinnen. Voller Zorn schraubte er sich mit der Luftströmung hoch und höher über das Gebirge, um weiter Ausschau nach Beute zu halten.
Vater Mond erzählt
„Dies ist eine Geschichte“, begann er, „die sich vor einer unendlich langen Zeit zugetragen hat:
Vor einigen Jahren geschah es, dass Königin Adina mit ihren Elfen die Heimat verlor. Durch Kriege, die seit Jahrhunderten zwischen den verschiedenen Ländern tobten, verarmten die Menschen und litten großen Hunger und bittere Not. Sie hatten keine Arbeit, besaßen auch kein Geld, um etwas zu kaufen. Ihr Leben war äußerst genügsam. Um nicht zu verhungern, gingen sie tagsüber in den Wald und suchten Wurzeln, Pilze, Beeren, Eicheln und Kastanien. Sie mussten endlos weit herumlaufen, um ein bisschen zu finden. Im Frühjahr pflanzten sie in ihren Gärten Kartoffel, Salat und Gemüse an, um im Winter hinreichend zu essen zu haben. Selbst die kleinsten Kinder hatten keine andere Wahl, sie mussten mithelfen.
Der Herbst rückte immer näher, die Blätter färbten sich braun und fielen ab. Und mit einemmal stand der Winter vor der Tür. Der war so streng und frostig, dass selbst Flüsse und Teiche zufroren. Die Tiere verkrochen sich in ihre Höhlen, in ihre Nester und in noch so kleine Schlupflöcher. In den armseligen Holzhütten froren die Fenster zu. Dicke Eiskristalle bildeten sich auf den Scheiben. Es war so bitterkalt, dass die Kinder gar nicht mehr aufstehen wollten und in ihren Bettchen vor Hunger und Kälte weinten. Die Eltern konnten das Weinen und Jammern der Kinder nicht mehr mit anhören und entschlossen sich in ihrer Not, in den Wald zu gehen, um ein paar Bäume zu fällen. Wenigstens konnten sie damit ihre Stuben ein wenig beheizen. Und so wurden aus ein paar Bäumen immer mehr, bis bald der ganze Elfenwald abgeholzt war. Nur eine dicke, uralte Eiche verschonten sie. Der dicke, vermooste Stamm war nämlich das Zuhause von Königin Adina und ihren Elfen. Das wussten die Dorfleute.
Wisst ihr, zu jener Zeit zeigten sich die
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