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Vater Mond und seine Kinder (German Edition)

Vater Mond und seine Kinder (German Edition)

Titel: Vater Mond und seine Kinder (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska von Sassen
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der so geizig war, dass er jeden Bettler vor die Tür jagte. Seinem eigenen Hofhund gab er nur das Notwendigste zu fressen.
    Sie hatte eine vortreffliche Idee. Am Abend zuvor waren alle Höhlenbewohner recht früh zu Bett gegangen. Ohne die anderen in ihren Plan einzuweihen, erhob sich Daggina mitten in der Nacht. In dem Moment, als sie drauf und dran war, die Höhle zu verlassen, hörte sie eines der Kinder, aus verschlafenen Äuglein blickend, fragen: „Mama, wo gehst du hin“? Sie drehte sich um und erwiderte: „Psst, mein Schatz, schlaf ruhig weiter, ich geh nicht fort.“ Eine Weile verhielt sie sich still, vergewisserte sich, dass die Kinder schliefen, schnallte sich einen kleinen Rucksack auf den Rücken und jagte in großen Sätzen über die Lichtung, an deren Ende sie sich nach Atem ringend hinter einen Busch warf. Erneut setzte sie zu einem weiteren Sprint an. Ein plötzliches Geräusch ließ sie zusammenzucken. Sie duckte sich und machte sich so klein wie möglich. Wachsam bog sie ein paar Zweige zur Seite und schaute sich misstrauisch um. Sie konnte jedoch nichts Ungewöhnliches erkennen. Witternd richtete sie sich auf, blickte nochmals in alle Richtungen und rannte los, keuchte dem Berg hoch, rutschte auf der anderen Seite auf ihrem Hinterteil abwärts und verharrte abwartend und lauernd hinter einem dicken Baumstamm. „Wie bringe ich es fertig, ungesehen in den Hühnerstall einzudringen?“ murmelte sie vor sich hin. Als sie wieder einigermaßen zu Atem gekommen war, beschloss sie, sich einmal genauer umzusehen. Noch war im Hof alles ruhig. Besonders sorgfältig richtete sie ihr Augenmerk auf die Hundehütte. Das kleinste Geräusch konnte sie verraten. Sie fasste sich ein Herz und stahl sich näher an die Hütte heran. Schnarchend lag der Hofhund, ein riesiger Berner Sennhund, alle Viere von sich gestreckt, auf dem Rücken. Der Wind stand nicht gut für Daggina. Er blies dem Hofhund ihren Schweißgeruch in die Nase. Er wurde unruhig. Schnüffelnd zitterten seine Nasenflügel. Er roch etwas, was nicht dahin gehörte. Als sie nur noch einige Nasenlängen von ihm entfernt war, erwachte er, schlug die Augen auf und blinzelte sie ungläubig an. Arik, so hieß der Hofhund, war so klapperdürr, dass ihm die Rippen durchs schwarz-weiße Fell stachen. Er wurde nie gekämmt. Seine Haare hingen von Dreck verkrustet und verfilzt an ihm herab. Er bot ein jämmerliches Bild. „Verliere jetzt nur nicht die Nerven“ beruhigte sie sich selbst. Draufgängerisch näherte sie sich Pfote für Pfote dem Hofhund. „Kannst du mir bitte sagen, wie ich zum Hühnerstall komme?“ lächelte sie ihn harmlos an. Über soviel Verwegenheit war der Hofhund verblüfft, erkannte jedoch auch die Chance, an ein köstliches Frühstück zu gelangen. „Hüüühnerstall?“ fragte er gedehnt, wobei er tief seufzte. Um Zeit zu gewinnen, erhob er sich erst einmal gemächlich, kratzte mit der Pfote in seinem Ohr herum und überlegte dabei krampfhaft, wie er sich entscheiden sollte. „Nun mach schon“ drängte sie ihn, „bald wird es hell und beim ersten Hahnenschrei erwacht der Hof.“ Der Hofhund schüttelte sich vom Kopf bis zur Schwanzspitze. „Im übrigen“ brummte er, „mein Name ist Arik und wenn du mir versprichst, mir ein paar Eier abzugeben, führe ich dich hin.“ „Gut, Arik“ lispelte sie, „ich heiße Daggina. Lass’ uns keine Zeit mehr verlieren, zeig mir den Weg.“ Geräuschlos schlichen beide zum Stall. „Komm hier her“ knurrte Arik so leise, dass Daggina ihn fast nicht verstand. An der Rückseite des Stalls waren achtlos ein paar lose Latten zusammengeflickt, die Daggina behutsam mit ihrer Tatze beiseite schob. „Was für ein Glück“ flüsterte sie entzückt. Sorgfältig darauf bedacht, keinen Lärm zu verursachen, schob sie ihren Kopf durch die Lücke, zog ihren Körper hinterher und stand vor einem Korb frischer Eier. Mit offenem Maul starrte sie auf den Fund und war kurz davor, einen Freudentanz aufzuführen. Rechtzeitig besann sie sich jedoch auf die Gefahr, in der sie schwebte. Sie raffte die Eier zusammen, packte sie in den Rucksack, band ihn zu und schlich sich, mit dem Kopf voran, wieder aus dem Stall. Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Arik patrouillierte, um jede Ecke lugend, auf und ab, um Daggina rechtzeitig warnen zu können, falls jemand auftauchen sollte. Erleichtert sah er sie um die Ecke biegen. „Komm, lass uns abziehen, bevor uns noch jemand ertappt“, zischelte Daggina.

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