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Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition)

Titel: Vater Unser in der Hölle: Durch Missbrauch in einer satanistischen Sekte zerbrach Angelas Seele (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Fröhling
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Angst? Er hat ihr doch nichts getan. Starr blickt sie in das Grab. Kommt es nicht auf sie zu? Dies alles ist gar nicht wahr. Sie träumt bestimmt nur. Einen ihrer vielen schrecklichen Träume. Niemand träumt so grausam wie sie. Auch das hat sie inzwischen herausgefunden. Unauffällig. Mit vielen vorsichtigen Fragen. Immer mal bei jemand anderem aus ihrer Klasse. Mit langen Pausen dazwischen. Was für schöne einfache Träume die anderen haben. Von Sachen, die sie sich wünschen, oder vom Urlaub, vom Fliegen, manchmal von einer Klassenarbeit, die danebengeht. Niemand sonst träumt von Folter und Qual und Schreien und Blut.
    Nur sie.
    Schon wieder steht einer vor ihr und sieht sie an.

    Tagelang geht das so. Gleich als die anderen vom Training kamen und uns gesagt wurde, dass der Papi tot ist, ging das los. Wir dürfen nie was Schlechtes über den Papi reden, hat die Mutter gesagt. Nicht zu mir, zu Tamara hat sie das gesagt. Aber die ist gleich gegangen, weil sie den Papi so lieb hatte. Ich auch, aber ich hab die Mutter nicht lieb, die ist mir egal, und was die zu meckern hat, ist mir auch egal. Dann stand Stefanie da und wollte weinen, aber das durfte sie nicht, und der Bruder sagte, dass er mich umbringen würde, wenn ich Probleme mache. Dann kamen ein paar Onkels und Tanten, um die blöde Kuh von Mutter zu trösten, und sagten, es sei kein Problem, mich so umzulegen, dass es nach Selbstmord aussieht und dass keiner was dagegen hätte, auch die Mutternicht. Ich soll nur immer schön tun, was sie sagen. Die können mir doch den Arsch lecken. Mir machen die keine Angst, die Idioten, ist mir doch egal, was die sagen.
    Ich sag jedem ins Gesicht, was ich von ihm denke, auch der blöden Lehrerin, die uns verraten hat, weshalb Kathy und Senta halb totgeprügelt wurden und tagelang im Schrank sitzen mussten.
    »Angela!«, zischt die Mutter und packt sie am Arm. Was ist denn passiert? Alle schauen sie an. Ihren anderen Arm hält der Pastor. Wie kommt der hierher? Eben stand er doch noch am Grab. Auch vor ihm hat sie Angst. Warum nur? Sie kennt ihn seit vielen Jahren. Bald wird er sie konfirmieren, aber immer, wenn sie an seinem Haus vorbeigeht, ist da eine Furcht. Wovor nur?

    Dass er mich reinholt.
    Aber sie war doch noch nie in seinem Haus. Was soll denn da schon sein?
    »Angela!« Alle sehen sie an. Was hat sie getan? Ich hab doch nichts getan, denkt sie. Aber so etwas sagt sie schon lange nicht mehr. Denn dann wird alles immer nur schlimmer. »Auch noch lügen«, schimpfen sie dann, »das muss noch strenger bestraft werden.« Sie muss aufpassen, sich zusammennehmen. Noch mehr zusammennehmen. Tun, was die anderen erwarten. Was erwarten sie? Jetzt erst sieht sie den Mann, der vor ihr steht. Wie lange steht der schon da? Seine Hand ist ausgestreckt. Auf sie zu. Sie soll ihm die Hand geben. Sie gibt ihm die Hand. Er zieht sie zu sich heran und nimmt sie in den Arm. Hält sie. Dann lockert er den Griff, behält aber ihre Hand in seiner. Er blickt ihr in die Augen und sagt: »Mach das noch einmal, und du bist tot.«
    Da sehnt sie sich wieder nach ihrem Vater. Will bei ihm sein. Will neben ihm im Sarg liegen. Will, dass er sie festhält und vor der Welt beschützt. Denn er ist der Einzige, der das kann. DerEinzige, der immer gut zu ihr war. Sie schaut in das Grab und sieht, wie es größer wird. Tiefer. Es kommt auf sie zu. »Wenn Papi wirklich da unten ist«, denkt sie, »will ich bei ihm sein.« Es ist eine Sehnsucht, die sich anfühlt wie ein Sog. Sie stellt sich vor, jetzt einfach neben ihm zu liegen, ganz nah, ganz sicher.
    Und so geschieht es.
Die fremde Frau
    Sie öffnete die Augen. Ihre Lider fühlten sich dick an. Dick und heiß. Vom Weinen. Sie schaute sich um. Immer noch war sie in der fremden Wohnung. Lag auf dem Bett. Sie sah zum Fenster. Draußen war es dunkel. War es Abend?
    Jeden Moment konnte die Mutter zurückkommen. Auf keinen Fall durfte die sie so sehen. Sie musste ruhig werden. Sich zusammennehmen. Den Überblick gewinnen. Die Kontrolle. Sie hörte auf zu weinen. Richtete sich auf und schüttelte das Kopfkissen zurecht. Drehte es um, damit die Tränenspuren nicht zu sehen waren. Ein Taschentuch. Hier musste sich doch irgendwo ein Taschentuch finden lassen.
    Sie war jetzt ziemlich sicher, dass sie bei der Beerdigung das Bewusstsein verloren hatte. Natürlich, sie war wieder mal zusammengeklappt. War ja auch ganz verständlich. Aber so verheult durfte sie trotzdem nicht aussehen, wenn die Mutter

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