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Vaterland

Vaterland

Titel: Vaterland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Harris
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Oberkommandos der Wehrmacht, zur Rechten die neue Reichskanzlei und der Palast des Fü h rers. Davor lag die Halle. Ihr Grau löste sich in dem Maße auf, je näher man kam.
    Jetzt konnten sie sehen, was ihre Führerin ihnen erzäh l te: daß die tragenden Säulen der Vorderfront aus rotem Granit waren, in Schweden gebrochen, und auf beiden Se i ten von goldenen Statuen flankiert, Atlas und Tellus, die auf ihren Schultern die Sphären trugen, den Himmel und die Erde.
    Das Gebäude war so kristallweiß wie ein Hochzeitsk u chen, die Kuppel aus gehämmertem Kupfer dumpfgrün. Paule stand vorne im Bus ganz still.
    »Die Große Halle wird nur für die feierlichsten Zerem o nien des Deutschen Reiches verwendet und faßt 180000 Menschen. Ein interessantes und unvorhergesehenes Ph ä nomen: Der Atem dieser Menschenmenge steigt in die Kuppel auf und bildet dort Wolken, die kondensieren und als leichter Regen herabfallen. Die Große Halle ist das ei n zige Gebäude auf Erden, das sein eigenes Klima schafft ...«
    März hatte das alles schon früher gehört. Er blickte aus dem Fenster und sah nur die Leiche im Schlamm. Badeh o sen! Was hatte sich der alte Mann dabei gedacht, am Mo n tagabend zu schwimmen? Berlin war schon seitdem späten Nachmittagvon schwarzen Wolken verschlungen worden. Als der Sturm schließlich Iosbrach, war der Regen in Stahlstäben heruntergeschossen und durchbohrte Straßen und Dächer und ertränkte den Donner. Selbstmord vie l leicht? Man stelle sich vor. In den kalten See waten, in die Mitte hinausschwimmen, Wassertreten in der Dunkelheit, die Blitze über den Bäumen beobachten, darauf warten, daß die Erschöpfung den Rest tut. Paule war auf seinen Sitz zurückgekehrt und hüpfte vor Aufregung auf und ab. »Werden wir den Führer sehen, Papa?«
    Die Vision schwand, und März fühlte sich schuldig. Di e ses Tagträumen von seiner Arbeit war genau das, w o rüber Klara sich zu beklagen pflegte: »Selbst wenn du hier bist, bist du nicht wirklich hier.« Er sagte: »Ich glaube nicht.«
    Wieder die Führerin: »Zur Rechten die Reichskanzlei und die Residenz des Führers. Die gesamte Fassade mißt 700 Meter und übertrifft um 100 Meter die Fassade des Palastes von Ludwig XIV. in Versailles:.
    Die Kanzlei zog langsam vorüber, während der Bus vo r beifuhr:
    Marmorsäulen und rote Mosaiken, Bronzelöwen, ve r goldete Silhouetten, gotische Schrift - ein chinesischer Drache von eine m Bauwerk, der da zur Seite des Platzes schlief. Eine Vier-Mann-Ehrenwache der SS stand unter einer sich blähenden Hakenkreuzfahn e stramm. Es gab keine Fenster, aber 5 Stockwerke über der Erde war in die Wand der Balkon eingelassen, auf dem der Führer sich be i jenen Gelegenheiten zeigte, zu denen sich eine Millio n Menschen auf dem Platz versammelten. Selbst jetzt gab es einige Dutzend Neugieriger, die zu den geschlossenen J a lousie n hochstarrten, die Gesichter vor Erwartung blaß, hoffend ...
    März sah seinen Sohn an. Paule war erstarrt, er hielt den kleinen Dolch in der Hand wie ein Kruzifix umklammert.
    Der Bus brachte sie zurück zum Ausgangspunkt der Run d fahrt vor dem Bahnhof der Berlin-Gotenland-Eisenbahn. Es war fünf Uhr vorbei, als sie aus dem Bus stiegen und die letzten Ränder des natürlichen Lichtes erloschen. Der Tag gab sich selbst mit Abscheu auf.
    Der Eingang zum Bahnhof spie Leute aus - Soldaten mit Rucksäcken in Begleitung ihrer Freundinnen und Frauen, Fremdarbeiter mit Pappkoffern und schäbigen Bündel mit Kordeln verschnürt, und Siedler, die nach zwei Tagen Bahnfahrt aus der Steppe auftauchten und verblüfft die Lichter und die Menge anstarrten. Überall sah man Un i formen. Dunkelblau, grün, braun, schwarz, feldgrau. Es glich einer Fabrik bei Schichtende. Da waren die Fabrikg e räusche von rangiertem Metall und schrillem Pfeifen und der Fabrikgeruch nach Hitze und Öl, schaler Luft und Stahlstaub. Ausrufezeichen schrien von den Wänden. »Seid ständig wachsam!« - »Achtung! Meldet sofort verdächtige Pakete!« - »Terroristenalarm!«
    Von hier aus gingen haushohe Züge auf 4 Meter breiter Gleisspur nach den Außenposten des Deutschen Reiches ab - nach Gotenland (früher die Krim) und Theoderichshafen (früher Sewastopol); ins Generalkommissariat Taurien und dessen Hauptstadt Melitopol; nach Wolhynien-Podolien, Schitomir, Kiew, Nikolajew, Dnjepropetrowsk, Charkow, Rostow, Saratow... Das war der Kopfbahnhof einer neuen Welt. Die Ankündigungen von Ankünften und Abfahrten unterbrachen die

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