Vegas Vampires 04 - Was sich liebt, das beißt sich
sie seine Nummer nicht, und sie konnte ja wohl schlecht seine Hosentaschen durchwühlen, um danach zu suchen. Außerdem wäre sie im Nu wieder hier.
Nate erwachte vom Kreischen. Heftigem, wildem weiblichem Kreischen. Es riss ihn direkt aus dem Tiefschlaf und ließ ihn fast von der Liege auf den Boden fallen. Mit hämmerndem Herzschlag und benebeltem Kopf setzte er sich auf, um herauszufinden, wo zum Teufel das Geräusch herkam.
Eine Frau, die er noch nie im Leben gesehen hatte, stand im Türrahmen und starrte ihn voller Entsetzen an. Aus ihrem Mund drang hysterisches Geschrei. Dann, und das war ebenso erstaunlich wie ihr Kreischen, drehte sie sich mit einem Mal um und rannte davon, wobei sie das grässliche Geräusch mit sich nahm. Gott sei Dank.
Nate schluckte schwer und versuchte, seinen Herzschlag zu normalisieren. Sie hatte ihn um mindestens fünf Jahre seines Lebens gebracht, und niemand hatte außerdem das Recht, eine solche Lautstärke zu verursachen, bevor er seinen morgendlichen Kaffee getrunken hatte. Sich die Augen reibend fragte er sich, wo Gwenna wohl abgeblieben war. Wahrscheinlich war sie kurz raus, um das Bad zu benutzen oder so etwas, und hatte es glücklicherweise verpasst, von einer Spa-Angestellten im Evakostüm erwischt zu werden.
Als er an sich herabschaute, bemerkte er, dass die Decke verschwunden war. Irgendwann hatte er sie wohl gänzlich weggestrampelt, wahrscheinlich wegen der Hitze, die von Gwennas Körper in seinen Armen und der beheizten Liege ausging. Sie lag auf dem Fußboden. Und er war vollkommen nackt.
Die Frau erschien wieder im Türrahmen und hatte eine Kollegin dabei. Die erste Frau war jung und dünn, die andere älter und gut gepolstert. Interessanterweise war es die jüngere Frau, die entsetzt aussah, als wäre sie sich sicher, dass er ein riesiger Perverser war, der sich in den Massagebereich geschlichen hatte, um sich vor ihr zu entblößen. Die ältere Frau sah eher neugierig aus und ließ ihren Blick langsam und liebevoll über seinen Körper wandern.
Sie sagte: »Entweder kommen Sie sehr früh zu Ihrem Termin oder viel zu spät.«
»Ich habe keinen Termin.«
»Wir behandeln nicht ohne Termin.« Ein Anflug von Unzufriedenheit zeigte sich in ihrem Gesicht. »Und wie sind Sie überhaupt hier hereingekommen?«
»Ruf doch einfach den Sicherheitsdienst!«, sagte die Jüngere. Ihr Pferdeschwanz wippte, als sie zurückwich, offensichtlich bereit, wieder das Weite zu suchen.
»Nein, tun Sie das nicht.« Nate streckte die Hand beruhigend aus. »Sehen Sie, ich bin ein Freund von Gwenna Carrick. Also, eigentlich bin ich Kommissar bei der Kripo von Las Vegas, und Gwenna hat mich hier übernachten lassen.« Das war im Grunde genommen sogar die Wahrheit. Aber er wusste, dass sie es nicht begrüßen würde, wenn praktisch jeder erfahren würde, dass sie die Nacht miteinander verbracht hatten.
»Gwenna Carrick?« Sie schauten einander an. Offenbar waren sie sich nicht ganz sicher.
»Kennen Sie Gwenna?« Nate versuchte das Kissen diskret vor sich zu ziehen. Er hatte kein Problem mit seiner Nacktheit, allerdings zog sich diese Unterhaltung doch arg in die Länge.
»Klar, sie kommt einmal die Woche zur Massage. Unser letzter Termin am Abend.«
»Also, wir sind befreundet, und sie hat mich hier pennen lassen. Wenn Sie mir eine Minute geben würden, dann, äh, könnte ich mich anziehen und wäre Ihnen nicht länger im Weg.«
»Oh!« Die Jüngere wurde rot.
Die Ältere erlaubte sich noch einen ausgiebigen Blick und bemühte sich nicht einmal, es zu verbergen. Nate drückte das Kissen fest auf sein bestes Stück. Herrje, er war doch kein Zuchthengst. Sie musste ihn ja wohl kaum so genau mustern.
»Haben Sie Gwenna vielleicht gesehen, als sie hier angekommen sind?«, fragte er, als ihm klar wurde, dass sie nicht gehen würden.
»Nö.«
Auch die mit dem Pferdeschwanz schüttelte den Kopf.
Nate fragte sich, wohin Gwenna wohl abgehauen sein konnte. Und warum sie ihn in der Massagekabine allein zurückgelassen hatte. Nackt. Die Wärme und die Intimität der letzten Nacht waren ohne Gwenna in seinen Armen plötzlich und unerklärlicherweise fort.
Und mit diesem Verlust brach die Last der Verantwortung wieder über ihn herein, schwer, brutal und ungeschminkt. Heute musste er Kyras Beerdigung vorbereiten. Heute musste er sich der Wahrheit stellen – seine Schwester war tot. Und das war zum Kotzen.
Außerdem musste er noch einen Mörder fassen.
Und eine blonde englische Schönheit
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