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Vellum: Roman (German Edition)

Vellum: Roman (German Edition)

Titel: Vellum: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hal Duncan
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gewesen, hatte sich aber im Hintergrund gehalten, während Maclean und Gallacher und die anderen über den bevorstehenden Streik diskutierten. Gott weiß, wie viele verdammte Monate er schon mit den ganzen anderen Iren auf der Werft arbeitet. Er gibt sich Mühe, nicht aufzufallen und eine saubere Weste zu behalten. Bis zu der Bruchbude in Dennistown, in der er wohnt, ist es eine lange Fahrt mit der Straßenbahn. Nach Inchgillan hatte er eine Weile gedacht, er könnte das alles ... hinter sich lassen. Irland und alles, was es ihm bedeutet. Den Krieg und den ganzen Wahnsinn. Aber er kann es nicht. Und so bleibt er schließlich nach dem heutigen Vortrag länger da, nimmt Maclean beiseite und spürt, wie er wieder Feuer fängt, als er ihm erzählt, was er mitgemacht hat, was er getan hat, wobei er gescheitert ist. Er will ihm helfen. Aber wie kann er das?
     
     
    Freitag, o blutiger Freitag
     
    Und so steht Seamus Finnan jetzt hier auf dem George Square, die hoch aufragende Fassade der Handelskammer im Rücken, Gallacher auf der einen, Kirkwood auf der anderen Seite. Wie steinerne Löwen, so massiv und unüberwindbar wirken sie, und Seamus steht zwischen ihnen, unerschütterlich wie das Angesicht des Krieges selbst, den hier jedermann aus eigener Erfahrung kennt — all die Iren, die auf der Red Clyde herübergekommen sind, um Arbeit zu finden. Und jetzt leben sie im East End der Stadt, in Armut und Schmutz. Auch die einheimischen Schotten, viele von ihnen Veteranen des verdammten Großen Krieges, fanden bei ihrer Heimkehr nur Elend vor. Eigentlich müssten sie die schlimmsten Feinde sein, denn die irischen Immigranten nehmen den Schotten die Arbeitsplätze weg. Aber nein. Sie halten zusammen, streiken für eine 40-Stunden-Woche, damit sie alle Arbeit haben, diese sechzigtausend Mann aus Eisen und Feuer und elektrischer Energie — Schiffsbauer, die Nieten hämmern und Schweißbrenner schwingen, Männer aus geschmolzenem Stahl und schwarzer Kohle, aus dem Stoff der Welt, die sie schaffen wollen. Und über ihnen allen weht heute die rote Fahne. Heute nimmt die Revolution ihren Anfang. Er erhebt die Stimme.
    »Und sie antworten mir: ›Glaubst du nicht, dass du zu weit gegangen bist?‹ Und ich stimme ihnen zu und erkläre den Jungs, auf die der Tod wartet, dass es einen anderen Weg gibt. Ich habe ihnen Hoffnung gegeben, blinde Hoffnung als Arznei, und ich und die Jungs, nun, an jenem verfluchten Morgen des 1. Juli haben wir uns zusammengesetzt und gebetet. Meint ihr vielleicht das mit ›zu weit‹?, frage ich sie. Dass ich versucht habe, ihnen mit verdammten Lügen die Angst zu nehmen?«
     
    »Aber damit noch nicht genug! Ich habe ihnen Befehle erteilt. Ich habe ihnen verdammt nochmal gesagt, sie sollen angreifen! Und sie haben es getan. Ich habe ›Feuer frei!‹ gebrüllt, und bei Gott, das hättet ihr sehen sollen. ›Feuer frei?‹ Ich werde euch zeigen, was das bedeutet!«
    Sein Blick schweift über die Menschenmenge, fällt auf die berittenen Polizisten mit ihren Schlagstöcken, die in sämtlichen Seitenstraßen entlang des Platzes Posten bezogen haben, rechts und links — in der North und South Frederick Street, in der Hanover Street und in der Queen Street, allesamt nach Scheißkönigen und Scheißköniginnen benannt, nach den Fürsten und Herzögen, von denen sie in den Tod geschickt worden waren, als wären die Deutschen die verdammten Schurken — als wären die Windsors nicht mit dem verdammten Kaiser verwandt. Und die Pferde schnauben unruhig, angriffsbereit, ihr Atem dampft in der kalten Luft, wie auch sein Atem dampft. Der Tag ist gekommen, es ist so weit.
    »Die verdammte Wahrheit werde ich euch zeigen, und wie. Das Feuer, das in unseren Herzen brennt, in eurem Blut und in meinem, das Schiffe zusammenschweißt und Imperien, das ihre Herrenhäuser mit elektrischem Licht versorgt, während wir im Dreck und in der Scheiße leben.«
     
    »Wie lautet die Anklage, die die Herrschaften jetzt gegen uns erheben? Gegen die Iren in den Lagern überall in England, Wales und sogar hier in Schottland?«
    Es ist eine Schande! Eine Schande!, ertönt es laut.
    »Wie lautet die Anklage, die sie gegen euren John Maclean erheben? Wovor haben sie solche Angst, dass sie in einem fort einen solchen Scheiß verzapfen? Überall sehen sie Verschwörungen — bei den Deutschen wie bei den Bolschewiken! Und uns stecken sie in Lager, auf unbestimmte Zeit. Denn wenn es um die Verteidigung ihres Scheißimperiums geht, gelten

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