Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
Horizont stand, nahm er an, dass es früh am Morgen war.
Er hatte die Nacht also überlebt, seiner kleinen Göttin sei dank.
Vorsichtig richtete er sich auf und wollte einen Blick auf die Frau werfen. Ein gewaltiger Anflug von Beschützerinstinkt und Neugier überkam ihn, als er an sie dachte. Er konnte gar nicht glauben, dass ihn seine Träume mit einer Göttin verbanden und ihre Schicksale miteinander verflochten waren.
Er versuchte zu sprechen, doch seine Stimme versagte ihm den Dienst, daher setzte er sich aufrecht hin. Erst drehte sich ihm noch alles im Kopf, doch dann wurde er klarer. Er erwartete schon fast, sie neben sich liegend zu finden, daher blickte er zu seiner Rechten und erkannte, dass dort tatsächlich etwas lag. Doch es war nicht seine Göttin. Stattdessen lagerte da der weiße Wolf, der zwischen den Bäumen hervorgeschaut hatte, als er dort am spiegelnden Teich das erste Mal gestürzt war.
Einen kurzen Moment lang durchbohrte ihn die Angst, doch dann gewann Vernunft die Oberhand. Wenn ihm der Wolf hätte an den Kragen gehen wollen, hätte er doch schon längst die Gelegenheit dazu gehabt. Offensichtlich war auch dieses Tier ein Begleiter.
Rhys musste grinsen, während er sich mit der Hand durchs Haar fuhr. Das war nun schon das zweite Mal, dass er den Wolf sah. Noch ein Mal, dann wäre auch er sein Gefährte, genau wie die Otter. Es war schon seltsam, dass all diese Tiere plötzlich zu ihm kamen. Er war kein Schamane – er war ja noch nicht einmal ein Sidhe –, aber er musste
etwas an sich haben, das diese Tiere magisch anzog. Vielleicht war er wirklich zu einem bestimmten Zweck hier in Annwyn.
Rhys fuhr dem Wolf mit einer Hand durch das dichte, wilde Fell. Blinzelnd öffnete das Tier die Augen, die von einem so erstaunlich blassen Blau waren, wie er es noch nie gesehen hatte.
Wachsam sahen sie sich an. Darauf achtend, keine ruppigen Bewegungen zu machen, hob Rhys ganz vorsichtig die Hand an die Schnauze des Wolfs. Er wusste genug über Hunde, um zu wissen, dass es der beste Weg war, sich ihnen anzunähern, nämlich indem man sie schnuppern ließ. Doch der Wolf legte den Kopf schief und blickte ihn an, als wäre er verrückt. Gerade als er seine Finger wieder zurückziehen wollte, überraschte ihn der Wolf, indem er erst an den Fingerspitzen schnüffelte und dann daran leckte.
Er lächelte und kraulte das Tier hinter den Ohren. Dies hier war keine wilde Bestie. Nein, er war vollkommen zahm. Rhys fragte sich, ob der Wolf seiner Göttin gehöre. Es schien genau das richtige Tier für sie zu sein. Der Wolf hatte eine solch himmlisch majestätische Art, dieselbe Sorte engelsgleicher Schönheit, wie sie auch seine Göttin auszeichnete.
Rhys legte sich wieder zurück auf das Lager, drehte sich zur Seite und betrachtete den Wolf. Er holte tief Luft und versuchte noch einmal zu sprechen. »Wo ist deine Herrin heute Morgen?«, fragte er, seine Stimme klang tief und belegt.
Der Wolf blinzelte. Und als das Tier zum Fenster hinaussah, weiteten sich seine Augen. Blitzschnell sprang es auf und rannte auf die Tür zu, die einen schmalen Spalt offen stand.
»Verlass mich nicht!«, rief Rhys mit heiserer Stimme. In dieser Hütte allein gelassen zu werden, war wirklich das Allerletzte, was er wollte, und dann auch noch irgendwo in Annwyn, ohne auch nur einen Verbündeten. Der Wolf war doch der einzige Freund und Beschützer, den er hatte.
Das Tier drehte sich um und warf ihm einen letzten Blick zu, ohne auch nur einmal mit den blauen Augen zu blinzeln. Entweder war Rhys völlig verrückt, oder er hörte tatsächlich, wie der Wolf sagte: »Bleib«, bevor er zur Tür hinaussprang.
Verdammt! Ächzend fiel Rhys auf den noch warmen Haufen Felle zurück. Es gefiel ihm gar nicht, dass er so schwach war und sich nicht selbst verteidigen konnte. Auch war er bereits wieder erschöpft, nach nur ein paar winzigen Bewegungen. Und das sagte ihm, dass er eine leichte Beute abgeben würde, sollte ihn hier jemand aufspüren.
Er musste wieder zu Kräften kommen und dann verdammt noch mal von hier verschwinden. Doch dafür sollte er zunächst einmal Keir ausfindig machen.
Rhys schloss die Augen und versuchte sich auf den Schattengeist zu konzentrieren, doch immer wieder tauchte die hellhaarige Göttin vor ihm auf, beugte sich über ihn, das Gesicht lustvoll verzerrt. Sie war eine attraktive Frau, so besonders verführerisch, dass er es wieder aufgab, den Schattengeist zu suchen, und sich stattdessen seinen ganz
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