Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Renwick, S: Velvet Haven - Pforten der Finsternis - Mists of Velvet - The Immortals of Annwyn Book Two
herstellen konnte.
Sie öffnete eine leere Seite in dem Buch, griff nach der Schreibfeder und rieb mit den Fingerspitzen über den weichen Flaum. Um überhaupt etwas sehen zu können, musste sie zuerst zur Ruhe kommen. Das würde sich etwas schwieriger gestalten, da Cailleach nun auf ihrem Thron saß und jede ihrer Bewegungen beobachtete. Doch nach wenigen Sekunden hatte Bronwnn die Göttin aus ihren Gedanken
vertrieben und konzentrierte sich nun voll und ganz auf die dunklen Wolken. Durch das Fenster des Solariums nahm sie den aufziehenden Sturm ins Visier. Bald würde es zu regnen beginnen, dann würde er den Duft ihres Geliebten fortwaschen. Vielleicht konnte sie Cailleach ja davon überzeugen, dass ihr Instinkt sie getrogen hatte und es doch der schwarze Magier gewesen war, den sie in der vergangenen Nacht gespürt hatte.
Donner schallte grollend über den Himmel, während sie überlegte, wie sie Cailleach davon abbringen konnte, nach der Ursache dieser Unruhe in Annwyn zu suchen. Auch wenn die oberste Göttin den Bund zwischen ihr und dem Schattengeist guthieß, konnte sich Bronwnn doch nicht des Gefühls erwehren, dass sie diesen Mann in der Hütte vor der Göttin und ihrer weitreichenden Macht schützen musste. Ein verborgenes Motiv steckte hinter dem Wunsch nach dieser Verbindung, das spürte Bronwnn, wenn sie es auch nicht verstand. Und ihr Instinkt trog sie so gut wie nie. Sie hatte gelernt, mithilfe ihres Instinkts zu überleben, und nun sagte er ihr, dass ihr Geliebter ihren Schutz benötige.
Der aufziehende Sturm beruhigte sie, und während sie zusah, wie sich die Wolken verdichteten und verdunkelten, senkte sie ihre Wimpern, und die Trance setzte langsam ein. Flüchtig tauchte das Bild ihres Geliebten vor ihr auf, doch sie verdrängte es, da sie fürchtete, im verzauberten Zustand irgendetwas zu offenbaren. Sie musste ihn um jeden Preis beschützen.
»Also, fang endlich an«, zischte Cailleach ungehalten. Normalerweise sah es der obersten Göttin nicht ähnlich, dass sie irgendwelche Gefühle zeigte, abgesehen von vollkommener
Selbstbeherrschung. Da war ganz entschieden etwas im Busch.
Bronwnn schloss die Augen und konzentrierte sich auf die aufbrausenden Winde. Sie hörte die Geräusche Annwyns, die Blätter und die Bäume und jedes Lebewesen, das hier kreuchte und fleuchte. Endlich war sie eins mit den Elementen, und als ihre Atmung schließlich langsamer ging und ihre Gedanken sich beruhigten, überkam sie die Vision.
Vor ihrem inneren Auge erschien die Zahl drei. Völlig abwesend griff sie nach der Feder und schrieb auf, was sie sah. Die folgenden Bilder zeigten ihr drei Frauen, ihre Gesichter dicht verschleiert und ihre Körper in hauchdünne weiße Kleider gehüllt. Bronwnn hatte sie schon einmal gesehen – die geheiligte Dreieinigkeit. Nun hörte sie auch ihre Worte: »Orakel, Heilerin und Nephilim.« Sie wiederholten diese Worte stets aufs Neue.
Gerade als sie dachte, mehr werde ihre Vision nicht offenbaren, erschien ein neues Bild vor ihr – ein Mann, groß und majestätisch. Sein Haar war dunkel, die Haut bleich. Sie hatte ihn nie zuvor gesehen, doch fühlte sie sich unmittelbar mit ihm verbunden. Links an seinem Hals trug er ein Mal – eine Art Brandzeichen –, und sogleich zeichnete sie es in ihr Buch, versuchte, das Bild in ihr Gedächtnis einzubrennen.
»Camael«, flüsterte es in ihren Gedanken, als sie das Symbol zu Papier brachte und wieder und wieder mit der Feder darüberging, bis es ganz dunkel war.
Das war alles. Der Zauber war gebrochen.
Cailleach trat hinter sie. »Die geheiligte Dreieinigkeit«, flüsterte sie. »Ja, wir müssen sie finden und beschützen, koste es, was es wolle.«
Die Finger der Göttin glitten über die Seite, bis sie das Symbol erreicht hatten. Mit zitternder Hand berührte sie das Zeichen, das Bronwnn gemalt hatte: Φ.
Cailleach bebte sichtlich, dann flüsterte sie: »Er ist zurückgekehrt.«
Bronwnn drehte sich gerade noch rechtzeitig um, um zu sehen, wie die oberste Göttin aus dem Solarium stürmte. »Schickt einen Boten zum Raben«, rief sie. »Ich muss ihn und seine Krieger sehen. Wir haben keine Zeit zu verlieren.«
Rowan starrte den Mann an, der vor ihr stand. Nicht in einer Million Jahren hätte sie sich erträumt, Keir jemals halb nackt zu sehen – noch dazu in nichts als einer ledernen Hose. Obwohl der Krebs sie langsam, aber sicher aufzehrte, schienen ihre Eierstöcke noch ausgezeichnet zu arbeiten, denn nun setzten sie
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