Venedig sehen und stehlen
Oldenburg-e?«
»Ich weiß nicht, ja vielleicht«, Harry hatte sich überlegt, zunächst etwas zu zögern. »Doch. Ja, sie sieht aus wie Francesca Zenga.«
»Ich fürchte, ich kann Ihnen da nicht weiterhelfen«, sagte Zoe. »Sorry, aber ich kenne diese Frau überhaupt nicht.«
»Wissen Sie, wir ermitteln gegen Francesca Zenga auch noch in einer anderen Sache«, sagte Lompo und guckte bedeutsam.
»Wenn wir Fragen haben, werden wir uns an Sie wenden. Signor Poschmeier hat uns bereits informiert, dass Sie in seinem appartamento in Canareggio wohnen.« Er lächelte Zoe an.
»Wir wissen also, wo wir sie finden können.«
Harry hatte kein so gutes Gefühl. War da ein drohender Unterton herauszuhören? Am Ende war ihm diese Befragung im Museumsbüro etwas zu glatt verlaufen. Andererseits, was hätte der Schönling zu diesem Zeitpunkt auch schon groß fragen sollen. Aber dann wäre tatsächlich fast doch noch etwas schiefgegangen.
Während sie mit Britt, Hans-Dieter und dem Kommissar vor dem WC standen, entdeckte Harry etwas vor sich auf dem Fußboden. Einen Reißnagel aus dem Rahmen der »Sitzenden Frau II«. Er lag, mit der Spitze nach oben, ein Stück entfernt von ihm direkt vor Zoes Füßen. Das war gar nicht gut.
Er konnte sich schlecht danach bücken. Das wäre viel zu auffällig gewesen, zumal mit seinem Gipsbein. Er versuchte Zoe ein Zeichen zu geben, möglichst unauffällig, ohne dass die anderen es merkten. Sie begriff es nicht gleich. Und deutlicher konnte Harry nicht werden, weil Lompo in dem Moment dazukam. Doch dann kapierte Zoe.
Augenblicklich trat sie auf den Nagel, der sich sofort durch ihren Schuh hindurch in ihren Fuß bohrte. Der spitze Stift war doch erheblich länger und kräftiger als bei einer Heftzwecke. Zoe gab sich alle Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Aber Harry konnte ihr deutlich ansehen, wie weh das tat.
Glücklicherweise gesellte sich die Winsener Turmfrisur und ihr Mann, die mit den »Amici« inzwischen Freundschaft geschlossen hatten, genau in dem Moment zu ihnen.
»Waren Sie damals eigentlich die Mörderin oder nicht?«, wollte die Frau zum Abschied noch von Britt Benning wissen. Die Umstehenden blickten reichlich verdattert. Aber Britt wusste natürlich gleich Bescheid.
»Ja, tatsächlich! Ich war die Mörderin«, antwortete sie hocherfreut und machte eine übertrieben gespielte finstere Grimasse. Die ganze Runde lachte auf.
Nach der ganzen Aufregung pilgerten Harry und Zoe mit den anderen zusammen noch einmal zu »Filippo«, obwohl für Harry jeder Schritt eine Qual war. Eigentlich zog es sie heute nicht mehr in eine Bar, aber es wäre wahrscheinlich aufgefallen, wenn sie nicht mitgekommen wären.
»Darling, du hast auf dem Video ganz wundervoll gehinkt«, flüsterte er ihr auf dem Weg zur Vapaoretto-Station Salute ins Ohr.
»Bullshit! Und jetzt hinke ich wirklich«, sagte sie eine Spur zu laut und dann leiser: »Aber der Nagel ist wieder draußen.«
Mit vereinten Kräften schleppten sie sich zur Tabacchi-Bar. Filippo servierte Sprizz und seine Frau mit dem Damenbart hielt hinter dem Ständer mit Pfefferminzbonbons die Stellung.
Im Fernsehen lief heute statt des schwarzweißen Westerns eine grellbunte und ohrenbetäubende Show mit reichlich leicht bekleideten Damen. Die Stimmung bei »Filippo« war dennoch längst nicht so ausgelassen wie vor ein paar Tagen. Die versammelten »Amici dei musei« schienen doch etwas schockiert, dass sich eine aus ihren Reihen als Kunstdiebin entpuppte. Nur Giovanni-Dieter zog bestens gelaunt über Francesca her.
Harry wollte nur noch in ihr Apartment. Nachdem sich die erste Aufregung gelegt hatte, überfiel ihn bleierne Müdigkeit. Ihm wurden die Beine schwer wie noch nie in seinem Leben, besonders das linke. Aber Zoe hatte noch Appetit.
Britt bestellte einen halben Salat mit Meeresfrüchten. Zoe musste unbedingt noch eine große Portion sarde in saor verdrücken. Harry wurde schon beim Zusehen ganz anders.
»Sag mal?« Er sah Zoe fragend an. »Ich bekomme langsam einen Verdacht.«
Sie lehnte ihren Kopf kurz an seine Schulter und sah ihn mit einer demonstrativen Unschuldsmiene an.
»Nein!«, entfuhr es Harry.
»Ach was. Keine Ahnung.«
15
Bisher hatte alles reibungslos geklappt. Aber nach dieser Verfolgungsjagd am Vormittag hatte sich das Blatt auf einmal gewendet. Eigentlich hatte Harry die beiden Polizisten, die ihn die Fondamenta della Misericordia rauf- und runtergejagt hatten, doch schon abgehängt. Dann war er diesem
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