Venezianische Verlobung
Wort, das die Contessa mit sichtlichem Vergnügen benutzte. Tron fand, sie hörte sich an wie Bossi, wenn der von Tatortphotographie sprach.
«Das was ?»
«Das Kaufverhalten, Alvise», sagte die Contessa. «Wenn ich den Comte de Chambord oder die Großfürstin von Trubezkoj dazu bewegen kann, eines unserer Produkte zu kaufen – eine elegante Vase oder eine geschmackvolle Toilettentischgarnitur –, dann beeinflusse ich damit das Kaufverhalten der großen Masse.»
«Die dann wie wild unsere Produkte kauft.» Hatte er eben tatsächlich Produkte gesagt? Es war unglaublich.
Die Contessa nickte feierlich. Ohne eine Spur Ironie,
fast mit dem glasigen Blick einer Konvertierten, deklamierte sie: « Tron-Glas. »
«Das kann unmöglich dein Ernst sein.» Tron musste unwillkürlich lachen.
Dass er gelacht hatte, nahm die Contessa ihm übel. «Was willst du eigentlich? Dass ich Alessandro böswillig einen Speisenaufzug verweigere? Und Personal, das ihm zur Hand geht?»
«Du weißt genau, was ich meine.»
Die Contessa schüttelte den Kopf. «Nein, weiß ich nicht.»
«Wenn die Principessa den Palazzo Tron renoviert und zugleich ihr Hauptquartier hier aufschlägt», sagte Tron, «dann übernimmt sie das Kommando. Wir werden zu einem reinen Anhängsel ihrer Glasfabrikation.»
«Und was ist die Alternative?»
«Eine Heirat und ein Umzug in den Palazzo Tron, ohne dass wir aus dem Palazzo ein Glasgeschäft machen müssten», sagte Tron.
Die Contessa brachte es fertig, mit herabgezogenen Mundwinkeln zu lächeln, was einen ausgesprochen zyni schen Gesichtsausdruck ergab. «Die Principessa soll ein Vermögen für die Restaurierung des Palazzo Tron ausgeben, ohne den geringsten Nutzen davon zu haben?»
«Du redest, als wäre eine Ehe nur ein Geschäft», sagte Tron. Was sich, musste er zugeben, wie ein Satz aus dem Mund einer Romanfigur anhörte, die naiv, weiblich und sehr jung war. Entsprechend fiel auch die Antwort der Contessa aus.
«Eine Ehe ist auch ein Geschäft», sagte sie kühl. «Und je besser das Geschäft, desto besser die Ehe. Falls die Principessa sich weigert, auf deine Vorstellungen einzugehen, und du weiter stur bleibst, sind wir in spätestens zwei Jahren gezwungen, das Hauptgeschoss zu vermieten, um die allernotwendigsten Reparaturen bezahlen zu können. Das ist die Alternative, Alvise.»
Wenn der Tisch zwischen ihnen nicht voller zerbrechli cher Glasprodukte gewesen wäre, hätte sie ihre Worte wahrscheinlich mit einem herzhaften Schlag auf die Tischplatte bekräftigt – so wie Spaur.
«Kein Hauptgeschoss – kein Maskenball», sagte Tran.
Seine Stimme klang, als würde jemand mit dem Fingernagel über eine Schiefertafel kratzen. Was er gesagt hatte, war zweifellos das, was die Contessa von ihm hören wollte, und in gewisser Weise hatte sie natürlich Recht.
Auf diese Worte folgte ein eigentümliches Intervall des Schweigens, und plötzlich sah Tron, ohne dass er die Augen schließen musste, sich selber: wie er die Stufen des frisch renovierten Treppenhauses im Palazzo Tron empor stieg und albernerweise den Putzeimer mit dem Besen
ebenso vermisste wie den Staub und den abbröckelnden Stuck. Die Lampen der neu installierten Gasbeleuchtung zischten wie kleine Giftschlangen, und es roch penetrant nach frischer Farbe.
Oben im Ballsaal drängten sich mindestens hundert Personen vor zwei zusammengeschobenen Konsoltischen, an denen die Principessa und die Contessa mit festgefrorenem Lächeln gläserne Briefbeschwerer, kitschige Gondeln aus gefärbtem Glas, klobige Aschenbecher und protzige Kristallvasen verkauften. Auf den Tischen stapelten sich Goldmünzen wie Jetons auf einem Roulettetisch. Daneben standen Massouda und Woussada, die unter Alessandros wachsamen Blicken die erstandenen Produkte in Papier einschlugen.
Die Stimme der Contessa beendete Trons Vision. Sie streckte die Füße aus, als sie sprach, und Tron hörte, wie ihre Schuhe gegen den scaldino stießen, der unter dem Tisch stand. «Ist dir schlecht, Alvise? Du siehst so blass aus!»
Nicht, dass sie sich ernsthaft besorgt anhörte.
Nein, dachte Tron, ihm war wirklich nicht gut, aber er bezweifelte, dass es sinnvoll war, der Contessa seine Vision zu schildern.
Er stand auf, ging langsam zum Fenster und musste zugeben, dass die Contessa Recht hatte. Feuchtigkeit hatte sich an der Innenseite der Scheiben niedergeschlagen.
Wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fielen, würden sich Eisblumen bilden.
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