Venezianische Verlobung
Uniform zu tragen. Über eine Marmortreppe führte er Tron in einen Salon im ersten Stock des Schlosses und bat ihn, dort auf Erzherzog Maximilian zu warten.
Der Raum war riesig, dämmrig, mit einer hohen Decke, von der ein alter Murano-Leuchter herabhing – einer von der Sorte, für die man ein kleines Vermögen ausgeben musste. Die halb geschlossenen Vorhänge vor den Fenstern hielten das ohnehin nicht sehr helle Tageslicht zurück, trotzdem war es drinnen hell genug, um neben dem Fenster ein großes Astrolabium zu erkennen, das auf einer englischen Marinekommode stand. Darüber hing ein Plan Mexikos, dessen einzelne Landesteile teils rot, teils grün schraffiert waren. Tron erinnerte sich daran, dass die französischen Truppen immer noch nicht alle Provinzen unter Kontrolle hatten, Maximilian die entscheidende Auseinandersetzung mit Benito Juárez noch bevorstand. Auf der anderen Seite des Raumes sah Tron ein Empiresofa, flankiert von zwei antiken Gobelinsesseln. Die Sessel standen in der Nähe eines Kamins mit einer Umrandung aus rötlichem Marmor, über dem das Portrait einer streng blickenden junge Dame hing. Tron vermutete, dass es sich um die Erzherzogin handelte.
Ein paar Minuten später waren Schritte im angrenzenden Raum zu hören. Dann sah Tron, wie sich die Klinke he rabsenkte und Erzherzog Maximilian, dem unsichtbare Hände die Tür geöffnet hatten, mit vorsichtigen, fast zö gernden Schritten den Salon betrat.
Er war größer, als Tron ihn sich vorgestellt hatte, und auch schlanker. Der Mode folgend, trug er einen Backenbart, der die Oberlippe und den mittleren Teil des Kinns frei ließ – ein markantes Kinn, das ihn unverkennbar als einen Habsburger auswies. Dieses Kinn ein wenig theatralisch emporgereckt, hielt er sich beim Betreten des Salons straff aufrecht, aber Trons Eindruck zufolge nur mit einiger Mühe. Dazu passte der schlaffe, leicht schlingernde Gang, mit dem er den Salon durchquerte, sowie der unstete Blick, das nervöse Augenrollen, das ihm offenbar zur Gewohnheit geworden war.
Der Erzherzog war in einen dunkelroten Überrock gekleidet, dessen dick aufliegender Kragen ihm hoch im Nacken stand, vorn aber die Pikeeweste und das gekreuzte Halstuch sehen ließ. An den Füßen hatte er bequeme Hausschuhe aus grünem Samt, in die mit Goldfäden das kaiserliche Wappen gestickt war. Vermutlich, dachte Tron, sollte dieser häuslich-legere Aufzug den inoffiziellen Charakter dieser Zusammenkunft betonen. Dementsprechend würde der Erzherzog ihn nicht mit Commissario, sondern mit Conte anreden. Das verbindliche Lächeln, das er aufgesetzt hatte, passte allerdings nicht ganz zu einem Mann, der seinen Privatsekretär gerade zu einem Mord angestiftet hatte.
«Sie wissen vermutlich», sagte der Erzherzog mit dunk ler, gaumiger Stimme, «warum ich Sie hierher gebeten habe, Conte.»
Tron hatte erwartet, dass sich der Erzherzog in deutscher Sprache an ihn wenden würde, aber zu seiner Überraschung sprach Maximilian ein fließendes Italienisch mit leichtem venezianischem Akzent.
Ja, dachte Tron, das wusste er. Der Erzherzog hatte ihn auf sein Schloss gebeten, um ihm ein schmutziges Geschäft vorzuschlagen. Und Seine Hoheit schien entschlossen zu sein, sofort zur Sache zu kommen. Tron verneigte sich leicht. «Allerdings, Hoheit.»
«Mein Privatsekretär hat mir mitgeteilt», fuhr der Erzherzog fort, nachdem sie beide auf den Gobelinsesseln Platz genommen hatten, «dass man ihn in der Mordnacht am Rio della Verona gesehen hat.» Er schlug die Beine übereinander und lehnte sich, wieder nervös die Augen verdrehend, zurück. «Es gefällt mir nicht, dass ein Mann in Schwierigkeiten gerät, der lediglich meine Anweisungen ausgeführt hat.»
«Schertzenlechner hat auf Anweisung gehandelt?» Im Grunde war damit alles gesagt, aber Tron wollte, dass Erzherzog Maximilian es wiederholte.
Der Erzherzog runzelte die Stirn, so als hätte er die Frage nicht verstanden. Dann sagte er achselzuckend: «Selbstverständlich hat er auf Anweisung gehandelt.»
Natürlich würde der Erzherzog diese Äußerung später ab streiten. Aber seine Worte würden in dem Bericht an den Polizeipräsidenten stehen. Spaur würde den Bericht an den Militärstaatsanwalt weiterleiten, und von dort aus würde der Bericht über das Hauptquartier in Verona nach Wien gehen.
«Doch was geschehen ist», setzte der Erzherzog noch hinzu, «war nicht zu vermeiden.»
Tron sagte: «Es wird sich ebenso wenig
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