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Venezianische Verlobung

Venezianische Verlobung

Titel: Venezianische Verlobung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicolas Remin
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vermeiden lassen, dass ich dem Polizeipräsidenten einen entsprechenden Bericht vorlege.» Er hatte bei dem Wort Polizeipräsident – dem Stichwort – die Stimme gehoben.
    Der Erzherzog lehnte sich nach vorne. Er sah Tron  scharf an, und einen Augenblick lang kam sogar die rollende Bewegung seiner Augen zum Stillstand. «Und was wä re», sagte er langsam, «wenn Sie die Beteiligung Schertzenlechners an dieser Affäre unter den Tisch fallen ließen?»
    Na, also. Jetzt war es so weit. In ein paar Sekunden  würde der Erzherzog mit einem schleimigen Gesichtsausdruck sagen: Ich könnte mich in diesem Fall dafür verwenden, Commissario, dass der Posten des …
    Doch stattdessen sagte der Erzherzog etwas, das Tron  nicht verstand. Er sagte: «Immerhin war Schertzenlechner nur am Rande an diesem Vorgang beteiligt. Hätte sein Besuch bei Signorina Slataper einen Tag früher stattgefunden, wäre er nie mit diesem Mord in Verbindung gebracht worden.»
    Wieso nur am Rande beteiligt? «Wir haben einen Zeugen, der Schertzenlechner neben der Leiche gesehen hat.»
    Der Erzherzog fuhr ruckartig aus seinem Sessel hoch.
    «Einen Zeugen, der ihn neben der Leiche gesehen hat?»
    Entweder war die Bestürzung in seinem Gesicht echt, oder er war ein ausgezeichneter Schauspieler. «Was reden Sie da?»
    «Es handelt sich um ein Mädchen, das etwas bei Signorina Slataper abgeben wollte. Sie war so verstört, dass sie sich erst vier Tage später bei uns gemeldet hat. Ich habe Schertzenlechner gestern damit konfrontiert», sagte Tron. «Daraufhin hat er die Aussage verweigert.»
    «Und das Mädchen hat Schertzenlechner tatsächlich er kannt?» Der Erzherzog schien seine Fassung wiedergewon nen zu haben.
    Tron nickte. «Sie hat einen Mann beschrieben, der  hinkt.»
    «Was auf Schertzenlechner zutrifft, und insofern verstehe ich Ihren Verdacht. Hat er nichts dazu gesagt?»
    «Er hat mich auf das Gespräch verwiesen, das ich mit  Hoheit führen würde. Und sich darauf berufen, dass er als Kapitän zur See von mir nicht verhört werden kann.»
    « Kapitän zur See? » Der Erzherzog schien sich kurz zu amüsieren. Dann sagte er: «Formal betrachtet hat er Recht.
    Aber natürlich handelt es sich hier um ein äußerst unangenehmes Missverständnis.» Er schüttelte genervt den Kopf.
    Tron verstand überhaupt nichts mehr. Irgendetwas ging  hier schief. «Was für ein Missverständnis?»
    Erzherzog Maximilian hatte den Kopf in den Nacken  gelegt und betrachtete die Salondecke, als verfolge er eine Szene, die sich am Rio della Verona abspielte. «Können Sie etwas zum Zeitpunkt des Mordes sagen, Conte?»
    Tron dachte einen Moment nach. Natürlich konnte er  das. Die Vorstellung im Fenice war an diesem Abend um halb elf beendet worden. Ungefähr eine halbe Stunde später hatte sich Angelina Zolli in die Wohnung am Rio della Verona geflüchtet. Der Zeitpunkt, an dem Anna Slataper
    gestorben war, ließ sich also ziemlich genau bestimmen.
    «Als unser Zeuge den Mörder in der Wohnung antraf», sagte Tron, «war es kurz nach elf. Wir glauben, dass Signorina Slataper kurz zuvor ermordet worden ist.»
    Das schien den Erzherzog zu erfreuen, denn er lächelte.
    Ohne dass er wusste weshalb, erfreute es Tron ebenfalls. Er lächelte zurück.
    Der Erzherzog sagte: «Schertzenlechner ist um Punkt  zehn Uhr am Rio della Verona gewesen. Er hat die Glocken von San Stefano gehört, als er mit Signorina Slataper sprach. Er hat sich höchstens eine Viertelstunde in der Wohnung aufgehalten. Sein Auftrag bestand lediglich darin, Signorina Slataper mitzuteilen, dass ich sie nicht mehr treffen werde, und ihr das Eintreffen einer größeren Geldsumme anzukündigen. Anschließend hat Schertzenlechner sich in sein Zimmer im Danieli begeben und dann um Mitternacht das Lloydschiff genommen.»
    Tron sagte: «Also war der hinkende Mann …»
    Er musste abbrechen, weil er plötzlich das Gefühl hatte, auf einem Karussell zu sitzen, das sich mit rasender Geschwindigkeit drehte. Du lieber Himmel – nur gut, dass er seine Theorie vom Auftragsmord nicht gleich ausgebreitet hatte. Er hätte überhaupt mehr auf die Principessa hören sollen als auf Sergente Bossi. Andererseits hatte alles so logisch gewirkt – so überzeugend.
    Tron holte tief Luft, um das Schwindelgefühl zu bekämpfen, das ihn erfasst hatte. Dann schloss er die Augen, atmete wieder aus und lehnte sich auf seinem Sessel zurück.
    Zum ersten Mal seit zwei Tagen durchströmte ihn eine  kolossale Erleichterung.

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