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Venezianische Versuchung

Venezianische Versuchung

Titel: Venezianische Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: MIRANDA JARRETT
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so viele Jahre lang im Mittelpunkt seines Lebens gestanden hatten. Nun, vielleicht hatte er sie ja einst gekannt und nur versäumt, sich mit all den Veränderungen auseinanderzusetzen, die in den letzten Jahren in ihnen vorgegangen waren? Auf jeden Fall war ihm nun eins gewiss geworden: dass aus den süßen Mädchen, die sich in seine Arme geworfen hatten und auf seinen Schoß geklettert waren, inzwischen junge Damen geworden waren, die ihr eigenes Leben führten, ein Leben, das mit dem seinen nur noch lose verbunden war.
    Es war genau so, wie Miss Wood gesagt hatte: Mary und Diana waren erwachsene Frauen, die niemand daran hindern konnte, ihr Herz zu verschenken, an wen sie wollten.
    Die beiden genossen die Zweisamkeit mit ihren Gatten, während er, ihr Vater, allein zurückblieb.
    Es war nur ein geringer Trost, dass beide Mädchen sich, wie aus den letzten Briefen hervorging, bald gemeinsam mit ihren Ehemännern auf den Weg nach Venedig machen wollten, um sich von ihrer ehemaligen Gouvernante zu verabschieden, ehe diese nach England zurückreiste.

4. KAPITEL
    G iovanni Rinaldini di Rossi achtete sorgfältig darauf, dass man ihn von draußen nicht bemerkte. Vor allen Blicken geschützt, stand er am Schlafzimmerfenster und beobachtete die englische Gouvernante, die mit raschen Schritten und gesenktem Kopf über die Brücke gegenüber seines Palazzo lief. Was, um Himmels willen, wollte sie um diese Zeit? Es war viel zu früh für Besuche, wie jeder gebildete Mensch wusste. Dennoch war es unverkennbar Miss Wood, die mit der für sie typischen Entschlossenheit auf den Palast der Familie Rossi zusteuerte. Wie üblich war sie dunkel gekleidet, der schwarze Rock schwang um ihre Fußknöchel. Giovanni di Rossi kannte verwitwete alte Frauen, deren Kleidung modischer und fröhlicher wirkte. Miss Wood erinnerte ihn immer ein wenig an eine Nonne.
    Der Gedanke entlockte ihm ein Lächeln. Tugendhaft und streng wie eine Nonne! Kein Wunder, dass er sie so begehrenswert fand.
    Ohne den Blick von ihr abzuwenden, fuhr di Rossi mit dem Finger durch den Milchschaum, der seinen Kaffee krönte. In der Küche verwandte man große Mühe darauf, das Getränk so zuzubereiten, wie er es sich wünschte. Genüsslich leckte er den Finger ab.
    Er liebte seinen Kaffee, und er liebte dieses Fenster, das – wie viele andere in Venedig auch – absichtlich so angelegt war, dass man hinaus-, aber nicht hineinschauen konnte. Es gab keine glatte Glasscheibe, sondern viele kleine, runde, in Blei gefasste und leicht getönte Scheiben. Kaum jemand wusste, wie oft er dort stand und beobachtete, was draußen vorging. Miss Wood ahnte nicht einmal, dass er sie schon bemerkt hatte, als sie vorhin aus der Gondel stieg. Ah, er liebte seine kleinen Geheimnisse!
    Jetzt hatte sie die Eingangstür erreicht, und er musste sich ein wenig zur Seite lehnen, um sie weiterhin sehen zu können. Sie betätigte den Klopfer und schob sich, während sie wartete, die Kapuze vom Kopf. Ihre Wangen waren von der frischen Morgenluft leicht gerötet.
    Nie bediente sie sich der kleinen Hilfsmittel, die andere Frauen benutzten, um Männer anzulocken. Nie wäre sie auf die Idee gekommen, irgendwem ein falsches Bild von ihren weiblichen Reizen zu vermitteln. Kein Puder, kein Rouge, einfach gar nichts! Das war einer der Gründe, warum sie ihm so rein erschien. Er wäre jede Wette eingegangen, dass sie noch jungfräulich war. Er spürte so etwas. Kein Mann hatte sie je auf diese Art berührt. Auch darin ähnelte sie einer Nonne. Und er hatte seit jeher eine besondere Vorliebe für unberührtes Fleisch. Ja, Miss Wood war einfach unwiderstehlich.
    Von Anfang an war er von ihrem vollständigen Mangel an Eitelkeit fasziniert gewesen. Eines Morgens war sie, ein Empfehlungsschreiben in den behandschuhten Händen haltend, in seinem Salon aufgetaucht. Schon damals war in ihm der Wunsch erwacht, sie zu verführen, sie zu kompromittieren oder – um es anders auszudrücken –, sie in die Freuden der körperlichen Liebe einzuführen. Wie passend, dass sie eine Gouvernante war, eine Frau ohne gesellschaftliche Bedeutung und ohne Familie, und zudem eine Ausländerin. Er könnte mit ihr machen, was auch immer er wollte, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen.
    Jetzt betrat sie sein Haus. Er hörte, wie die Tür hinter ihr ins Schloss fiel. Er lächelte, während er sich ausmalte, wie es sein würde, wenn seine Wünsche endlich in Erfüllung gingen. Unter ihrem sackartigen Kleid

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