Veni, Vidi, Gucci
meine Mutter. »Was soll das? Ich dachte, du hättest mit diesem Unfug aufgehört, als du fünfzehn warst. Weißt du noch, was für einen Ärger du dir damit früher eingehandelt hast?«
Sie hat recht. Das mit Cherie war nicht mein erster Spaßanruf. Ich wäre einmal fast von der Schule geflogen, weil ich als Cilla Black bei unserem Direx angerufen hatte. Ich erzählte ihm, dass wir eine Sondersendung von Herzblatt nur mit Lehrern machen wollten und dass das bestimmt eine Riesengaudi würde ... Oh, glückliche Zeiten.
»Sorry, Mum«, sage ich verlegen. »Ich versuche nur Druck abzubauen.«
»Was für einen Druck?«, fragt sie mit besorgter Stimme.
»Oh, einer Freundin von mir ist was Schreckliches passiert. Niemand, den du kennst«, entgegne ich in beiläufigem Ton. Ich will mich heute nicht mehr über schlimme Dinge unterhalten. Schließlich ist das Jahr noch lang, da muss sich nicht alles auf diesen einen Tag konzentrieren.
Während ich meiner Mutter zuhöre, die mir von ihrer Woche berichtet, kommt mir plötzlich ein Gedanke. Ich kann zwar den Vorstandsvorsitzenden eines internationalen Konzerns glauben machen, dass ich die Frau des englischen Premierministers bin, aber meiner Mutter kann ich nichts vormachen. Niemals.
»Und, was meinst du?«, fragt sie im Moment.
Ach herrje, wieder nicht aufgepasst. »Sorry, Mum, worum ging es gerade?«
»Um das Wochenende«, entgegnet sie. »Die Kinder können von Samstag auf Sonntag bei uns übernachten, und Richard und du, ihr könnt mal wieder zusammen ausgehen. Ich bin sicher, dein Mann arbeitet zu viel. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich ihn das letzte Mal gesehen habe ...«
Soll ich es ihr sagen? Wäre das nicht der perfekte Moment, um es ihr zu sagen? Fiona weiß schließlich auch Bescheid. Warum nicht auch meine Mutter? Und wenn ich es ihr sage, ist es ja nicht so, als würde ich es in einer ganzseitigen Anzeige in der Tagespresse veröffentlichen, als wäre ich irgendein Promi, der sein Ehedrama zu PR-Zwecken ausschlachtet ...
Hunk Hollywood und Starlet Sparkle bedauern sehr, ihre sofortige Trennung bekanntgeben zu müssen, und beide möchten ihren Fans für die Unterstützung in dieser schweren Zeit danken. Zudem haben beide den Wunsch geäußert, dass die Medien ihre Privatsphäre respektieren, obwohl Ms Sparkle heute Abend um halb acht leicht mitgenommen, aber wie immer wunderschön vor dem Eingang des Ivy gesichtet wurde.
Sie ist meine Mutter. Irgendwann muss ich es ihr sagen. Oder etwa nicht?
Aber wenn ich ihr sage, dass Richard mich verlassen hat, ist es definitiv. OFFIZIELL. Ist es überhaupt möglich, ihr das auf Dauer zu verschweigen? Nicht, dass meine Mutter wegen ihrer sitzen gelassenen Tochter in Tränen ausbrechen würde. So ist sie nicht. Aber ihr hartnäckiges Schweigen, das sie so gut beherrscht, würde mir den Rest geben. Will ich mir das im Moment wirklich antun?
»Das ist eine tolle Idee, Mum«, sage ich. »Ich bringe die Kinder nach dem Training zu dir. Einverstanden?«
»Prima. Al möchte Thomas zur Kartbahn in Hadley Wood mitnehmen. Ich finde, das klingt zwar gefährlich, aber Jungs sind eben Jungs.« Sie lacht.
Al ist ein großer Motorsportfan. Ein Mann am Steuer irgend einer lauten und schnellen Maschine ist automatisch ein Held. Kein Wunder, dass Al plant, aus Thomas einen Helden zu formen, indem er ihn erst einmal hinter das Steuer eines schnuckligen kleinen Gokarts setzt. Das große Vorbild von Al ist Ayrton Senna. Ein Mann, der so gestorben ist, wie er gelebt hat – mit über dreihundert Stundenkilometern. Das war ein ganzer Mann.
»Thomas wird sich sicher freuen«, entgegne ich und versuche das Bild seines kleinen, schlaffen Körpers zu verdrängen, der aus einem völlig verbeulten Gokartwrack geborgen wird. Oh Gott, wieso musste mir auch ausgerechnet Ayrton Senna einfallen?
»Ich werde die Kinder am Sonntag rechtzeitig zurückbringen«, sagt meine Mutter. »Du weißt ja, wegen dem Herbstbasar.«
Scheiße!
Nach nur einem kurzen Besuch der Kinder weiß sie über die Schulveranstaltungen besser Bescheid als ich. Das Herbstfest hätte ich beinahe vergessen. Ich brauche gar nicht an tödliche Gokart-Massenkarambolagen zu denken, ich habe ein viel größeres Problem. Sureyas Tragödie hat mich die AREI komplett vergessen lassen. Ich habe Cassie, Annabel und die abscheuliche Natasha komplett aus den Augen verloren und glücklicherweise auch aus dem Sinn. Aber jetzt sind sie wieder da. Dieser blöde Schulbasar. Ich
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