Veni, Vidi, Gucci
Trainingsjacke über dein Arsenal-Trikot. Dann sieht es keiner.«
»Schon, aber dann wird mir so schnell warm.«
Ich holte tief Luft. »Gut, wir finden schon noch eine Lösung. Wir haben ja bis Samstagmorgen Zeit. Schlaf jetzt.«
Thomas ließ sich von mir einen Gutenachtkuss geben, und ich verließ rückwärts sein Zimmer, zufrieden lächelnd – das war eine unserer besseren Gutenachtszenen.
»Mum«, sagte Thomas, bevor ich die Tür zuzog, »weißt du, ich kann es kaum erwarten.«
»Geht mir genauso.«
Unten reichte es gerade noch zu zwei Zügen an der ersten Zigarette, seit ich am Nachmittag die Kinder von der Schule abgeholt hatte, bevor die Katastrophe ihren Lauf nahm. Mina und Jasmin wachten nämlich auf und waren nicht gerade begeistert darüber, sich in einem fremden Zimmer in einem fremden Haus wiederzufinden. Sie waren nicht zu beruhigen.
»Wir können ja zusammen eine Geschichte lesen«, schlug Molly fröhlich vor.
Gute Idee, dachte ich. Jedenfalls konnte das die Sache bestimmt nicht schlimmer machen.
Und es hätte auch beinahe funktioniert. Nach der Hälfte von Die drei kleinen Schweinchen wurden die Zwillinge ganz still und ihre Augenlider immer schwerer. Aber dann habe ich Mist gebaut. Ich ließ Molly den Wolf sprechen. Ihre Interpretation war außerordentlich – außerordentlich Furcht einflößend. Prompt begannen die Zwillinge wieder zu schreien, und diesmal fiel Molly mit ein. Es war ein richtiges Wutgeheul, das gegen die beiden hysterischen Monsterbabys gerichtet war, die ihr nicht nur den Schlaf raubten, sondern zudem nicht zu würdigen wussten, wie viel Geschick und Anstrengung es erforderte, eine richtig gute, Furcht einflößende Wolfsstimme hinzukriegen.
»Kannst du denen mal sagen, dass sie endlich mit dem Geschrei aufhören sollen?«, brüllte Thomas über den Flur.
Vielen Dank, Thomas, darauf wäre ich selbst gar nicht gekommen.
Ich möchte nicht den Eindruck erwecken, als würde ich übertreiben, aber eine Stunde später stand ich kurz davor, Selbstmord zu begehen.
Doch dann hatte ich einen Geistesblitz. Eis! Die Zwillinge waren praktisch süchtig nach dem Zeug. Und wissen Sie was? Es funktionierte . Die Mädchen saßen auf ihren Luftmatratzen und schleckten Schokoeis, nach Mitternacht – Molly übrigens auch –, und als sie fertig waren, betteten sie die Köpfe auf die Kissen und schliefen ein.
Einfach so.
Elternratgeber, was? Vielleicht sollte ich selbst einen schreiben.
Während ich die glücklichen, schlafenden Gesichter der Kinder betrachtete, überkam mich eine große Traurigkeit. Wegen Jasmin und Mina, aber auch wegen Thomas und Molly. Wie wenig sie doch vom bitteren Ernst des Lebens ahnten, und wie wenig wir Erwachsenen tun können, um sie davor zu bewahren. Ich schwor mir, egal, wie es mit mir und Richard weitergehen würde, dass meine Kinder nicht darunter leiden sollen. Ich werde nie vergessen, in welchen Verhältnissen ich groß geworden bin. Kein Vater, kein Geld, eine Mutter, die immer arbeiten war. Meinen Kindern steht hingegen die ganze Welt offen, und von nun an werde ich dafür sorgen, dass sie das Leben am Schopf packen und ihre Chancen ergreifen.
Und das richtige Leben kann uns mal.
Aber das ist leicht gesagt, nicht wahr?
Das richtige Leben hat nämlich die Angewohnheit, ständig dazwischenzufunken, selbst zu den merkwürdigsten Uhrzeiten. Wie jetzt zum Beispiel: um halb vier Uhr morgens.
Das Telefon klingelt.
Ich liege im Bett, nach einem unruhigen Schlaf. Ich muss sofort an Sureya denken, sie geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Und jetzt – oh Gott – klingelt das Telefon. Mitten in der Nacht mag ich dieses Geräusch nicht besonders. Ich greife nach dem Hörer, und natürlich rechne ich nicht mit guten Neuigkeiten.
»Fran, ich bin’s«, sagt eine hallende Stimme.
»Summer? Bist du das?«
»Habe ich doch gerade gesagt«, entgegnet Summer in überdrüssigem Ton. »Ja, ich bin es tatsächlich.«
»Es ist mitten in der Nacht.«
»Nein. Es ist halb acht. Ich sehe gerade einen herrlichen Sonnenuntergang.«
»Summer, aber hier ist es halb vier –«
»Hör zu, wenn ich mich über die Uhrzeit unterhalten möchte, kann ich auch die Zeitansage anrufen.« Sie klingt patzig.
»Okay, worüber möchtest du dich dann unterhalten?«, frage ich, und die vertraute Panik steigt wieder in mir hoch. »Es ist doch nichts mit dem Baby, oder?«
»Nein, wie kommst du denn darauf?«
»Oh, nur weil ...« Was soll ich machen? Soll ich Summer wirklich
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