Veni, Vidi, Gucci
darauf höre ich ein stinknormales Besetztzeichen.
8
F reitag. Und diesmal meine ich wirklich Freitag, mit Tageslicht und so. Es ist jetzt acht Uhr morgens, aber ich bin schon seit kurz nach sechs auf den Beinen. Ab dem Zeitpunkt, als Mina und Jasmin putzmunter wurden und offenbar großen Spaß daran hatten, sich in einem fremden Zimmer in einem fremden Haus wiederzufinden. Die Logik von Dreijährigen - ich werde sie nie begreifen.
Im Moment sind wir alle in der Küche. Frühstückszeit. Ich bleibe dicht bei den Zwillingen, die auf den hohen Küchenhockern sitzen. Ich muss mich nämlich bereithalten, um alles rechtzeitig aufzufangen, was herunterfällt - Müslischale, Trinkbecher, Kleinkind ... Molly sieht müde aus. Sie hatte schließlich nur sechs ihrer obligatorischen zwölf Stunden Prinzessinnenschlaf. Wahrscheinlich wird sie bei der Morgenandacht ins Koma fallen. Thomas kaut lustlos auf seinem Toast herum. Es heißt immer, Kinder brauchen ihren Vater, und ich denke, auf Thomas trifft das absolut zu. Mit vier Weibern unter einem Dach muss der arme Junge momentan in einem Meer aus Östrogen ertrinken.
Plötzlich klingelt das Telefon, und ich zucke zusammen.
»Bei euch geht es ja ganz schön laut zu«, sagt Richard.
»Mina und Jasmin sind hier«, erkläre ich.
»Ach ja, die Beerdigung«, bemerkt Richard in geschäftsmäßigem Ton. »Wie lief es?«
Wie es lief? Wir reden hier nicht von einem Meeting, Richard. Oh, es lief wie am Schnürchen, auch wenn wir ein bisschen überziehen mussten, aber wir haben das Ding noch rechtzeitig unter Dach und Fach gebracht.
Das ist nicht fair. Richard kann nichts dafür. Woher soll einer von uns wissen, was man in so einem Fall sagt oder wie man sich ver hält? Wenn man nicht selbst ein Kind verloren hat, kann man doch gar nicht mitreden.
»Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht«, entgegne ich. »Bis jetzt habe ich von Sureya und Michael noch nichts gehört. Ich nehme an, es war grauenhaft.«
»Gott, natürlich war es das«, murmelt Richard, wobei sein schlechtes Gewissen durchklingt.
Ich frage mich, wo er sich gerade aufhält. Ich horche auf verräterische Geräusche im Hintergrund. Ist sie bei ihm ...? Hör auf damit, Fran. »Wie auch immer, was gibt’s?«, frage ich.
»Es geht um Thomas’ Probetraining morgen. Ich wollte fragen, ob ... nun, ich würde gerne mitkommen ... falls du nichts dagegen hast.«
Mein Herz macht vor lauter Freude einen Satz. Thomas wird begeistert sein. Und, ja, ich bin ebenfalls begeistert. Weil ... Beckenham? Ich habe immer noch keinen Plan, wie wir dort hinkommen.
»Das wäre klasse«, erwidere ich so gefasst wie möglich. »Dann komm um zehn zu uns.« Ich sehe, wie Jasmin ihre Müslischale erschreckend nah an den Rand des Küchentischs schiebt. »Hör zu, ich möchte nicht unhöflich sein, aber war’s das? Es ist nur -«
»Eine Sache noch. Ich war gestern bei Sir Colin.«
»Oh, und wie lief’s?«, frage ich geschäftsmäßig, was in diesem Fall völlig okay ist, zumal wir ja wirklich von einem Meeting reden.
»Sehr gut. Nein, besser. Fran, der Kerl hat einen Narren an mir gefressen. Wahrscheinlich könnte ich dem sogar Thomas’ Hausaufgaben präsentieren, und er würde das Projekt abnicken.«
»Gut gemacht«, lobe ich aufrichtig. »Ich wusste, dass du das wieder hinkriegst.«
»Das ist nicht mein Verdienst. Das habe ich Cherie zu verdanken. Harrison hat gestern zwar kein einziges Mal den Namen ›Tone‹ in den Mund genommen, aber er hat ständig so komische Andeutungen gemacht und mir verschwörerisch zugeblinzelt. Ist das zu glauben? Verflucht, das ist der Aufsichtsratsvorsitzende von Shell höchstpersönlich, und ich bringe ihn dazu, dass – Scheiße , was war das?«
Das Porzellan scheppert ganz schön laut auf dem Fliesenboden. Das Geheul, das gleich darauf einsetzt, ist sogar noch lauter.
»Ich muss auflegen, Richard. Tschüss.«
Ich lege das Telefon aus der Hand und stürze zu Jasmin, die auf dem Boden liegt, in einer Pfütze aus Milch und Ricicles.
»Daddy kommt morgen mit zum Training«, erkläre ich Thomas auf dem Weg zur Schule.
»Sag nicht immer Daddy . Scheiße, Mum, ich bin fast elf, und kein zweijähriges Baby mehr.«
»Hey, du sollst nicht fluchen«, sage ich mit tadelnder Miene und grinse ihn gleich darauf an, weil er (im Grunde) recht hat und ich zudem den Moment nicht verderben möchte.
»Und fahren wir danach alle gemeinsam zu Oma Ruth? Daddy kommt doch sonst nie mit«, sagt Thomas, wobei ihm
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