Veni, Vidi, Gucci
mich verpflichtet gefühlt, für sie zu bezahlen. Ich sehe auf meine Uhr. Ich bezweifle, dass ich das auch nur eine Minute länger ertrage. Es ist nicht nur die Einsamkeit. Es sind vor allem die Blicke der anderen, und die bilde ich mir sicher nicht ein; genauso wenig wie das verstohlene Aufmichzeigen der Frauen, die ihre Männer leise warnen, die Kinder möglichst von mir fernzuhalten. – Am besten, wir machen einen großen Bogen um sie. Sie ist ein Neonazi, und für eine Flasche Grauburgunder würde sie sogar ihren Körper verkaufen.
Vielleicht drehe ich auch langsam durch. Bilde ich mir das etwa alles nur ein ...?
Aber Mia Farrow hatte recht! Schließlich waren diese Satansanhänger tatsächlich hinter ihrem Baby her. Und zwar alle, die nette alte Minnie, ihr Mann Roman, ihre Freunde, selbst der nette Doktor Sapperstein. Sie alle waren mit dem Teufel im Bunde ...
Plötzlich taucht John Cassavetes wie aus dem Nichts auf – ich meine natürlich Richard. »Fühlst du dich einsam?«, fragt er, noch leicht außer Atem von der ganzen Eselei.
»Ja.« Ich versuche zu lächeln, lasse es dann aber wieder. Wozu? »Um ehrlich zu sein, Richard, ich habe die Schnauze voll. Das stehe ich keine zwei Stunden mehr durch.«
»Aber du darfst nicht aufgeben. Was willst du? Dass man dir auch noch nachsagt, du wärst ein Drückeberger?«
»Oh, mir wird weitaus Schlimmeres nachgesagt. Im Ernst, Richard, mir reicht’s. Ich gehe nach Hause und koche das Abendessen. Du kannst gerne mitkommen, falls –«
»Du gehst nicht nach Hause«, widerspricht Richard mir in bestimmtem Ton.
In diesem Moment erscheint Thomas und macht ein finsteres Gesicht. »Mum, ich fange gerade an, mich zu amüsieren. Sag jetzt nicht, dass wir schon nach Hause fahren.«
»Nun, du kannst ja mit Daddy bleiben, wenn du willst. Aber ich bin müde, und außerdem ist ja eh bald Schluss hier, und –«
»Hör auf, immer Daddy zu sagen!«, schreit Thomas mich an. »Ich bin kein kleines Baby mehr. Was hast du für ein Problem? Zuerst kommst du zu spät zu meinem Training, und jetzt willst du früher gehen. Echt ätzend. Das ganze Wochenende ist für den Arsch!«
Thomas’ Frust bricht nun endgültig hervor, und ich bin zunächst richtig geschockt. Richard beugt sich zu ihm herunter und legt den Arm um seine Schulter, aber Thomas schüttelt ihn wütend ab. Er hat Tränen in den Augen, die er jedoch vehement abwischt, als zwei seiner Klassenkameraden sich uns nähern – kleine Jungs, die wie Motten heranschwirren, wenn es irgendwo laut wird.
Meine Mutter taucht nun ebenfalls auf. »Hallo!«, ruft sie fröhlich, nichts von der anschwellenden Hysterie ahnend, in die sie hineingeplatzt ist. Molly an ihrer Seite kaut eine Karotte. Offenbar haben sie das Café gefunden.
Mum raschelt mit einer Papiertüte. »Möchte jemand einen Doughnut? Schmecken allerdings etwas seltsam, wenn ihr mich fragt. Die sind mit wenig Fett und ohne Zucker. Da fragt man sich, was daran noch ein Doughnut sein soll, nicht wahr?«
Thomas beruhigt sich wieder ein wenig. Ob mit oder ohne Zucker, bei Doughnuts kann er nicht widerstehen. Während er genüsslich in einen hineinbeißt, kann ich nicht anders und lasse meinen allseits beliebten HomerSpruch los: » Mmmm, lecker ... Es geht doch nichts über Doughnuts.«
Es funktioniert. Thomas lächelt. Gut, er grinst zwar nicht gerade von einem Ohr zum anderen, aber es ist immerhin ein Anfang. Und sein Lächeln wird breiter, als er auf seine Klassenkameraden blickt. Die starren mich nämlich mit großen Augen und offenem Mund an. Einer der beiden findet seine Sprache wieder und fragt Thomas: »Kann sie das noch mal machen?«
Ja, kann sie, aber jetzt möchte sie nach Hause.
»Sicher kann sie das«, entgegnet Thomas lässig, schiebt sich den Rest seines Doughnuts in den Mund und greift erneut in die Tüte. »Mach schon, Mum.«
»Nein, lieber nicht«, erwidere ich, da ich mir etwas albern vorkomme.
»Oh, bitte«, fleht mich der Klassenkamerad an. »Machen Sie noch mal Homer.«
»Machen Sie Bart«, sagt sein Freund.
»Mach schon, Mum«, drängt Thomas erneut.
Na gut, noch ein einziges Mal. Nur für Thomas. Ich hole Luft und sage mit der Stimme von Bart » Ich bin fertig mit der Arbeit. Arbeit ist was für Hornochsen «, bevor ich wieder zu Homer wechsle: » Sohn, ich bin stolz auf dich. Ich war doppelt so alt wie du, als ich das herausgefunden habe. «
Thomas versucht seinen Stolz zu verbergen, während seine Klassenkameraden sich vor Lachen
Weitere Kostenlose Bücher