Veni, Vidi, Gucci
über mein Outfit geschüttelt. Wird Mrs Gottfried etwa in dieselbe Kerbe schlagen?
»... Nein, es geht um Molly.«
Hat sie Molly gesagt? Unmöglich. Außer es ist so, dass Molly zu gute Leistungen bringt und die Schulleitung wünscht, dass sie sich ein wenig zurückhält, damit die anderen in der Klasse aufholen können – was ja ganz der Jeder-ist-ein-Gewinner-Philosophie entspricht.
»Was hat sie angestellt?«, frage ich, ehrlich überrascht.
»Das ist eine heikle Angelegenheit, Mrs Clark«, erwidert Mrs Gottfried vorsichtig, als wäre ich ein rohes Ei, »aber es ist leider so, dass Molly schon mehrfach durch rassistische Äußerungen aufgefallen ist.«
» Rassistische Äußerungen? «, wiederhole ich bestürzt.
Ich bin baff. Molly weiß gar nicht, was eine Rasse ist, außer bei Hunden. Und sie weiß ganz sicher nicht, dass es davon auch noch einen -ismus gibt.
»Ja, auf dem Schulhof ruft sie immer ›Reis- und Bohnenfresser‹.«
Ich muss lächeln. Mit deutschem Akzent klingt es völlig falsch. Es heißt Reis- und Bohnenfressäääär! Man muss dem Ganzen einen lässigen Jamaica-Slang verpassen. Ich weiß, dass Molly das perfekt beherrscht. Sie hat zwar das Aussehen ihres Vaters, aber die Stimmbänder ihrer Mutter.
»Verzeihung, aber das ist nicht komisch«, sagt Mrs Gottfried als Reaktion auf meine leichte Belustigung. »Die anderen Kinder eifern ihr bereits nach ...«
Die sind nicht einmal halb so gut, wette ich.
»... und als eine der Kantinenmitarbeiterinnen Molly gefragt hat, woher sie das hat, meinte sie, von ihrer Mutter.«
»Das ist richtig«, bestätige ich.
Mrs Gottfried stockt der Atem.
»Das ist ein Zitat aus dem Fernsehen«, erkläre ich. »Aus einer Satiresendung.«
Mrs Gottfried blickt mich ausdruckslos an. Ich spüre, dass sie eine genauere Erklärung braucht, damit wir die Sache zu den Akten legen können.
»Das stammt aus einer Parodie auf Trisha ... die bekannte Talkshowmoderatorin. Der Ausdruck ›Reis- und Bohnenfresser‹ ist eine Art Running Gag. Ich habe irgendwann damit angefangen, und Molly fand es komisch, und, tja, den Rest kennen Sie ja.«
»Wir dulden hier in der Schule keine rassistischen Äußerungen«, sagt Mrs Gottfried mit leiser Stimme.
»Ich auch nicht, Mrs Gottfried. Nichts liegt mir ferner. Aber es handelt sich hier nicht um eine rassistische Äußerung ... sondern ... ich weiß auch nicht ... Es ist einfach nur ein dummer Spruch. Viele Weiße haben nämlich das Vorurteil, dass Latinos sich nur von Reis und Bohnen ernähren. Das ist als Witz gemeint.«
»Nein, das ist eine rassistische Beleidigung von Menschen afro-karibischer Abstammung«, korrigiert Mrs Gottfried mich.
»Aber es stellt vor allem auch die Weißen bloß, die an solchen Unsinn glauben«, versuche ich zu erklären.
»Das wäre dann genauso rassistisch.«
Mein Kiefer klappt nach unten. Ich weiß nicht, was ich noch sagen soll. Bin ich hier auf einem anderen Planeten?, würde ich am liebsten schreien. Meine süße, unschuldige fünfjährige Tochter wird des Rassismus bezichtigt. Wo zum Teufel soll das noch hinführen?
»Mrs Clark, Sie werden einsehen, dass wir ein solches Verhalten nicht dulden können. Solche Dinge müssen im Keim erstickt werden ...«
Welche Dinge? Wen wird sich Mrs Gottfried in der nächsten Woche herauspicken? Wahrscheinlich Scooby-Doo. Ob sie dann den Trickzeichner antanzen lässt?
»... glauben Sie mir, so hat damals der Holocaust begonnen.«
Ach ja? Und ich hatte immer den Eindruck, dass der Holocaust mit einem wahnsinnigen Massenmörder begann, der seine Anhänger davon überzeugte, dass Juden eine minderwertige Rasse sind – und nicht mit einer Fünfjährigen, die auf dem Schulhof fröhlich »Gefilte Fish« ruft. Aber wer ist hier die verdammte Lehrerin? Und was weiß ich schon über Geschichte?
Mir hat es die Sprache verschlagen. Einerseits vor lauter Ungläubigkeit, andererseits aus Angst, das alles, was ich sage, verdreht und gegen mich verwendet wird.
»Wir müssen Sie bitten, mit Molly ein ernstes Wort zu reden«, teilt Mrs Gottfried mir mit.
»Ich weiß nicht ... Das kommt mir alles ein bisschen ...« Mir liegt »verrückt« auf der Zunge, aber ich beende den Satz nicht.
»Falls Sie dieser Aufforderung nicht nachkommen, bleibt mir keine andere Wahl, als den Rektor zu verständigen ... und eventuell auch das Jugendamt.«
»Das Jugendamt? «
»Es handelt sich hier um eine sehr ernste Angelegenheit. Und sie betrifft nicht nur Molly.«
»Etwa Thomas
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