Veni, Vidi, Gucci
Thomas zu suchen. Die Freiheit ist ganz nah ...
Wie durch ein Wunder taucht mein Sohn plötzlich neben mir auf, und wir gehen gemeinsam zum Ausgang. Oder soll ich sagen rennen? Aus dem Augenwinkel habe ich nämlich soeben das Wohnzimmer auf Rädern erspäht. Die nymphenhafte Natasha schiebt es schwungvoll an, während sie sich beeilt, mich einzuholen, ein Kind im Buggy, die anderen zwei in ihrem Windschatten.
Sie gibt alles, das muss man ihr lassen. Ich werde sie nicht abhängen können, außer wir fangen wirklich an zu rennen, und wie würde das denn aussehen?
»Fran, ich habe Sie ja seit Ewigkeiten nicht mehr gesehen!«, ruft Natasha fröhlich und leicht außer Atem.
Ich drehe den Kopf zu ihr und mustere sie. Heute trägt sie Manolo Blahniks. Und unfassbar, aber wahr: Ihr Haarband passt farblich zu ihrer schokoladenbraunen Handtasche. Diese Frau hat wirklich ein Händchen für Accessoires.
»Wie geht es Ihnen«, fragt Natasha mich.
Wo soll ich anfangen, du hinterhältiges, falsches Tratschweib ...?
»Meine Güte, wo soll ich anfangen? Es ist so viel passiert!«, plappere ich los, als wäre ich Unternehmerin des Jahres und der Aktienkurs meiner Firma hätte sich über Nacht verdreifacht, und ich hätte nebenbei nicht nur die menschliche Genetik entschlüsselt, sondern auch fünfzehn Zentimeter hohe Stilettos entworfen, in denen das Gehen ganz leicht fällt.
Mein Ton bringt Natasha vermutlich aus dem Konzept. Schließlich hat sie das ganze Wochenende damit verbracht, jedem, der es hören wollte, zu erzählen, dass ich das menschliche Äquivalent zu einem abbruchreifen Gebäude bin, und jetzt stehe ich hier und strahle pure Heiterkeit aus. Ich glaube nicht, dass sie erwartet hat, mich so fröhlich zu sehen.
Ich hätte Schauspielerin werden sollen.
Aber Natasha ebenfalls. »Oh, das ist super!«, flötet sie und gerät kurz ins Stolpern, während sie versucht, mit uns Schritt zu halten. »Sie müssen mich unbedingt besuchen kommen und mir alles ausführlich erzählen.«
»Mummy«, keucht Molly. »Warum läufst du so schnell?«
»Ich will Thomas einholen.«
Thomas ist ein gutes Stück vor uns. Wieder einmal danke ich Gott für die Erfindung der Playstation. Sie ist der Grund, weshalb Thomas es immer eilig hat, nach Hause zu kommen.
»Was meinen Sie?«, fragt Natasha. »Heute zum Tee bei mir? Das wird bestimmt lustig. Ich kann auch wieder Pimm’s besorgen!«
Sie bricht in ihr ansteckendes Lachen aus. Ansteckend wie das Ebola-Virus.
»Ein anderes Mal.« Ich lächle sie kurz an, während ich einen kleinen Vorsprung heraushole. »Wir haben heute ein volles Programm.«
»Und der Herbstbasar?«, ruft sie mir hinterher, während ich meinen Vorsprung immer weiter ausbauen kann. »Wir müssen uns zusammensetzen und uns darüber unterhalten.«
Oh ja, wir müssen uns allerdings unterhalten. Wir müssen ausführlich darüber sprechen, was für ein hinterhältiges Aas du bist. Wir müssen herausfinden, was die Worte »Vertrauen«, »Diskretion« und »Freundschaft« für dich bedeuten, denn ich glaube, wir benutzen unterschiedliche Wörterbücher.
Aber ich belasse es bei: »Ja, ich muss mich jetzt beeilen, tschüss .«
Als ich die Haustür hinter mir schließe, spüre ich süße Erleichterung durch meinen Körper rieseln. Aber die Freude hält nicht lange an. Der Anrufbeantworter blinkt mir entgegen. Ich höre ihn ab.
» Fran ... hier ist Isabel ... «
Oh, fuck!
» Wo zum Henker bleibst du? Ich sitze hier mit drei Verantwortlichen von Sony, die auf dich warten. Ich weiß nicht, wie lange wir sie noch hinhalten können. Ich bete zu Gott, dass der Umstand, dass du nicht zu Hause bist, bedeutet, dass du auf dem Weg hierher feststeckst oder so. Leider ist dein Handy ausgeschaltet. Komm, bitte ... so schnell wie möglich. «
Oh, fuck, fuck, fuck.
Die zweite Nachricht:
» Fran ... Nein, ich mache das, Izzy ... «
Diesmal ist es Harvey.
» ... Fran, schönen Dank, dass du uns vor unseren Geldgebern wie zwei absolute Vollidioten hast aussehen lassen. Bestimmt freut es dich zu hören, dass die Herren mittlerweile wieder gegangen sind. Das werde ich dir nie verzeihen, weißt du. Darauf kannst du Gift nehmen. Oh, und solltest du glauben, dass du jemals wieder auch nur einen verdammten Werbespot machen wirst, und sei es nur zehn Sekunden lang für Teebeutel ... Das kannst du dir abschminken. Und darauf kannst du ebenfalls Gift nehmen. «
»Wer war das, Mummy?«, fragt Molly mich.
Gevatter Tod, denke ich.
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