Venit. Die Akte Veden: Thriller (Filii Iani-Trilogie) (German Edition)
nicht bald die Bullen anrief, saß sie hier fest, bis am nächsten Morgen die Schule geöffnet wurde. Vorher würde sich wahrscheinlich niemand in diesem Gebäudekomplex aufhalten.
Ella drehte sich um, hob den Rollo vor dem Fenster an und sah hinaus. Sie hatte direkten Ausblick auf den gepflasterten Platz, konnte nach links bis zum hässlichen Brunnen hinüberblicken und einen Teil der Einfahrt einsehen. Doch auch draußen war alles verlassen. Der Wind prügelte auf die Bäume ein, warf sie wild hin und her, ansonsten war alles still. Sie suchte nach einem Griff, um das Fenster zu öffnen, aber es gab keinen.
Was war das hier? Ein Gefängnis?
Gerade als sie sich abwenden wollte, bemerkte sie eine Bewegung weit rechts. Ella presste die Wange an die kalte Scheibe und spähte hinüber. Da ging jemand! Himmel, da bewegte sich eine dunkle Gestalt!
»Hallo!«, rief sie und klopfte an das Fenster, so fest sie konnte. »Hallo! Hier drüben! Hilfe!« Sie machte weiter, klopfte und hämmerte, hielt zwischendurch inne, um das Gesicht ans Glas zu drücken und wieder hinüberzusehen.
War das Tim? Es war inzwischen so dunkel, dass sie es nicht mit Gewissheit sagen konnte, aber Statur und Kleidung stimmten. Er stand einfach nur da und starrte in den Himmel.
»Tim!«, brüllte Ella. Sie fing an, mit der geballten Faust gegen das Fenster zu schlagen, rief dabei immer wieder seinen Namen.
Was machte er da nur? Wankend lief er jetzt über den Platz, zuerst weiter nach rechts, sodass er aus ihrem Blickfeld verschwand. Kurz darauf tauchte er wieder auf. Seine Schritte wirkten schwerfällig und unkoordiniert, als sei er sturzbetrunken. Hatte er sich einen angesoffen, weil sie nicht an ihr Handy ging?
Ella schüttelte den Kopf. So lange kannten sie sich auch nicht. Blödsinn.
Erneut schrie sie seinen Namen und hämmerte gegen das Fenster. Als sie die Wange an die Scheibe drückte, sah sie gerade noch, wie Tim urplötzlich umkippte wie ein gefällter Baum. Sie schloss die Augen, konnte nicht mitansehen, wie er geradewegs auf das Gesicht fiel.
Herr im Himmel! Das musste weh getan haben!
Einige Momente blieb er so liegen, die Arme zu den Seiten hin ausgestreckt, dann warf er sich ungelenk herum. Arme und Beine schlenkerten durch die Gegend, als hätte er sie nicht mehr unter Kontrolle. Anschließend bewegte er sich nicht mehr. Oder ... doch, er rührte sich!
Ella kniff die Augen zusammen und presste das Gesicht fester an die Scheibe.
Du liebe Güte, er übergab sich! Trotzdem blieb er auf dem Rücken liegen, sein Körper zuckte dabei, als stünde er unter Strom. Ella spürte, wie ihr eiskalt wurde.
Tim drohte, zu ersticken!
Brüllend riss Ella den linken Arm nach oben, ihre Fingernägel fuhren über das weiß gestrichene Holz des Rahmes. Sie fand nichts, das auch nur entfernt nach einem Öffner aussah. Verzweifelt hieb sie mit der Faust gegen das Fenster.
Schließlich wischte sie sich über die Nase, ignorierte die Nässe (weinte sie?) und sah wieder hinaus. Tim lag noch immer so da, die Zuckungen wurden allerdings schwächer. Aus seinem Mund quoll weiterhin Erbrochenes, lief seine Wange hinab und tropfte auf das Pflaster.
Sie konnte nichts machen. Bei Gott, sie saß hier fest, angekettet an einen Heizkörper, sah dabei zu, wie jemand starb – und konnte nichts dagegen unternehmen.
Ella schluchzte und rieb mit der Hand über die Scheibe, die von ihren Atemzügen allmählich beschlug. Komischerweise wünschte sie sich, dass Tim noch nichts von ihren Eskapaden wusste. Sie wollte nicht, dass er im Glauben starb, sie hätte ihn hintergangen. Sie mochte ihn doch wirklich, auch wenn sie sich nicht gut kannten.
Ein weiterer Schluchzer schüttelte sie. Sie blinzelte, um die Tränen von den Wimpern zu lösen und stierte nach draußen.
Und dann sah sie eine Bewegung rechts. Ella riss den Kopf herum, rückte ein wenig vom Fenster ab und suchte die Grünfläche um den Brunnen ab. Sie fand nichts. Die Hoffnung, die kurz aufgekeimt war, hinterließ eine grausame Leere.
Als sie wieder zu Tim hinüberspähte, war er nicht mehr zu sehen. Ungläubig starrte sie auf den dunklen Fleck Erbrochenes, presste die Wange fester an die Scheibe, doch er war weg. Spurlos verschwunden, hatte sich in Luft aufgelöst.
*
Mit der Maschinenpistole auf dem Rücken, die er sich mit einem Gurt umgehängt hatte, stand Loki von Schallern in den tiefen Schatten hinter dem Brunnen. Die Hände hatte er in den Hosentaschen vergraben, den Rücken hielt er
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