Venus 02 - Auf der Venus verschollen
durfte ich es bei den Toren versuchen.
Ich folgte der hohen Mauer, die das Palastgrundstück um schloß, ohne eine Stelle zu finden, an der ich sie erklimmen konnte. Sie war etwa dreieinhalb Meter hoch.
Auf diese Weise kam ich an die Rückseite des Schlosses. Auf der Straße, die an der Mauer entlanglief, häufte sich der Unrat, aber ich entdeckte nichts, was ich als Leiter benutzen konnte.
Auf der anderen Seite erhoben sich ärmliche Behausungen, von denen viele verlassen schienen. Nur hier und da leuchtete ein schwaches Licht. An einem dieser Häuser bemerkte ich plötz lich eine halb geöffnete Tür, die nur noch in einem Scharnier hing und mir kam ein Gedanke.
Ich überquerte die Straße. Das Haus schien unbewohnt zu sein. Vorsichtig lauschte ich, doch war nichts zu hören. Hastig durchsuchte ich die Räume und widmete mich dann der Tür. Zu meiner Freude stellte ich fest, daß sie sich leicht aus dem Schar nier heben ließ.
Ich blickte vorsichtig in beiden Richtungen die Straße entlang, nahm die Tür auf, trug sie zur Schloßmauer und lehnte sie da gegen.
Wieder sah ich mich verstohlen um. Niemand war zu sehen.
Behutsam kletterte ich auf die Tür und als ich mich aufrich tete, mühsam das Gleichgewicht haltend, konnte ich die Oberkante der Mauer greifen. Alle Vorsicht in den Wind schlagend, zog ich mich hoch und ließ mich auf der anderen Seite fallen. Ich konnte es nicht wagen, auch nur eine Sekunde auf der Mauerkrone sitzenzubleiben. Vom Schloß und von der Straße aus wäre ich deutlich sichtbar gewesen.
In diesem Augenblick mußte ich an die bösartigen Kazars denken, die Skor in seinem Landschloß hielt und ich hoffte in ständig, daß er sie nicht mit in die Stadt gebracht hatte. Aber ich blieb unbehelligt. Niemand schien mein Eindringen bemerkt zu haben.
Vor mir erhob sich der düstere Schatten des Palastes. Der Hof war gepflastert und wirkte ebenso kahl wie der Hof in Skors anderem Schloß.
Hastig ging ich am Gebäude entlang und suchte nach einem Eingang. Drei Stockwerke hoch ragte es neben mir auf. Zahl reiche Fenster waren vergittert. Hinter einer dieser Öffnungen mußte Nalte sein.
Ich wagte es nicht, zur Vorderseite des Palastes zu gehen, um nicht den Wächtern in die Hände zu fallen. Schließlich entdeckte ich eine kleine Tür, die verschlossen war. Dicht daneben war jedoch ein offenes Fenster. Der Raum dahinter lag im Dunkeln. Nachdem ich einen Augenblick gelauscht hatte, sprang ich leise auf das Fensterbrett und ließ mich innen zu Boden gleiten. Endlich befand ich mich im Palast des Jong von Morov!
Der Raum führte auf einen kaum erleuchteten Korridor, der verlassen war. Ich zog die Tür hinter mir zu und bewegte mich vorsichtig nach links. In dieser Richtung waren Geräusche zu hören. Ich stieß bald auf einen breiten und besser erleuchteten Korridor, in dem tote Männer und Frauen hin und her eilten. Sie trugen schwer beladene Teller und Platten in die eine Richtung, während leeres Geschirr in die andere Richtung gebracht wurde.
Ich wußte, daß ich die Gefahr auf mich nahm, entdeckt zu werden, aber dieses Risiko mußte ich früher oder später doch einmal eingehen. Ich stellte fest, daß die Bediensteten geschminkt waren, so daß ihre Gesichter zu leben schienen und nur ihre Augen und der schlurfende Gang verrieten die Wahr heit. Meine Augen konnte ich zwar nicht verändern, aber ich hielt den Blick gesenkt, als ich jetzt hinter einem Mann den Korridor hinausschlurfte, der eine große Platte mit Fleisch trug.
Ich folgte ihm in einen Saal, in dem etwa vierzig Männer und Frauen an einer großen Tafel saßen. Endlich hatte ich es also mit lebenden Menschen zu tun – mit den Herrschern von Kor mor. Allerdings wirkte die Gesellschaft nicht besonders fröh lich, was ich angesichts der beklemmenden Umgebung verstehen konnte. Die Männer sahen gut aus und die Frauen waren schön. Ich fragte mich, was sie in dieser Stadt des Todes hielt.
Aber die vierzig Gäste waren nicht allein. Eine dichtgedrängt stehende Menschenmenge begaffte sie und die Diener hatten kaum Platz, um den Tisch herumzugehen. Die Zuschauer waren so gut geschminkt, daß ich sie zuerst ebenfalls für Lebende hielt. Doch bald stellte ich meinen Irrtum fest; kein noch so gu tes Make-up konnte ihren leblosen Blick vertuschen. Wie ich diese Wesen bedauerte!
Ich witterte eine Chance, mich in der Menschenmenge zu ver lieren und drängte mich langsam vorwärts, bis ich mich dicht hinter einem großen, thronähnlichen
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