Venus 03 - Krieg auf der Venus
Anbruch der Dämmerung brachte mir Horjan Nahrung und Wasser. Er versuchte den Grund für meine Reise nach Amlot herauszubekommen, aber ich wich seinen Fragen aus. Er betonte noch einmal, wie gern er mich wieder aus dem Haus hätte, und ließ mich allein. Nach dem Essen versuchte ich zu schlafen, konnte aber keine Ruhe finden. Ich war gerade etwas eingedämmert, als ich Stimmen im Nebenraum hörte. Ich erkannte Horjans Stimme, der sich mit einem Fremden unterhielt.
»Ich sage dir, die Sache schmeckt mir nicht. Ich weiß nichts über den Mann. Wenn es bekannt wird, daß er sich hier ver steckt, wird man mir die Schuld in die Schuhe schieben, obwohl ich seine Absichten nicht kenne.«
»Du bist ein Narr, ihn hierzubehalten«, sagte der andere.
»Was soll ich denn mit ihm tun?«
»Liefere ihn den Zani-Wächtern aus. Sag ihnen einfach, du wüßtest nicht, wie der Bursche ins Haus gekommen ist. Du wärst nicht hier gewesen, und als du zurückkamst, hättest du den Mann hier gefunden. Das bringt dir sicher sogar eine Beloh nung.«
»O wirklich? Darüber muß man nachdenken. Vielleicht ist er gefährlich. Vielleicht hat er die Absicht, Mephis umzubringen.«
»Diese Absicht könntest du ihm unterschieben, wenn du mit den Zani-Wächtern sprichst.«
»Ja, das gäbe sicher eine große Belohnung.«
Einige Minuten lang war nichts zu hören, dann ertönte das Scharren eines Stuhls. »Wohin willst du?« fragte Horjans Be sucher.
»Zu den Zanis«, erwiderte Horjan.
»Ich komme mit. Vergiß nicht, daß ich die Idee gehabt habe. Ich müßte eigentlich die Hälfte der Belohnung bekommen. Viel leicht sogar zwei Drittel.«
»Aber er ist mein Gefangener«, wandte Horjan ein. »Und ich gehe zu den Zanis. Du kannst hierbleiben.«
»Das werde ich nicht tun. Wenn ich melden würde, was ich weiß, würde man euch beide verhaften, und ich bekäme eine sehr große Belohnung.«
»Das würdest du doch nicht tun!« rief Horjan.
»Aber ganz bestimmt, wenn du mir weiterhin meine Beloh nung vorenthältst.«
»Das tue ich doch gar nicht. Ich gebe dir zehn Prozent!«
Der andere lachte. »Zehn Prozent? Daß ich nicht lache. Ich gebe dir zehn Prozent, und mehr verdienst du nicht. Verrat an Mephis und Spehon und den anderen ist eine schwerwiegende Sache!«
»Aber das kannst du mir nicht in die Schuhe schieben!« pro testierte Horjan wütend. »Niemand wird dir glauben. Du bist doch allgemein als Lügner… He, wohin gehst du! Ich melde die Sache. Komm zurück!«
Ich hörte das Geräusch von Schritten, die sich schnell entfern ten. Sie können mir glauben, daß ich keine Zeit verschwendete. Ich tastete mich aus dem Haus, und als ich die Straße erreichte, waren meine beiden treuen Freunde noch in Sicht; sie stritten sich noch immer. Ich huschte in die entgegengesetzte Richtung und tauchte in der Dunkelheit unter.
Es hatte keinen Sinn zu rennen. Ich marschierte einfach drauf los, als wäre ich in Amlot zu Hause. Bald kam ich auf eine heil erleuchtete, belebte Straße, die von Läden gesäumt war. Viele Soldaten waren hier zu sehen, und zum erstenmal bekam ich auch drei Mitglieder der Zani-Garde zu Gesicht; sie marschierten selbstbewußt über den Bürgersteig und stießen Männer, Frauen und Kinder rücksichtslos zur Seite. Ich war ein wenig nervös, als sie in meine Nähe kamen, aber sie kümmerten sich nicht weiter um mich.
Seit dem Gespräch zwischen Horjan und seinem Komplicen waren mir einige Gedanken durch den Kopf gegangen. Ich konn te es nicht vergessen, daß der Unbekannte Spehons Namen mit Mephis zusammengebracht hatte. Die Botschaft in meiner Ta sche war an Spehon gerichtet. Was mochte Muso mit einem Führer der Zanis zu tun haben? Es ergab keinen Sinn und be gann mich gerade deswegen zu beunruhigen – eine Unruhe, aus der ein ganz bestimmter Verdacht zu erwachsen begann. Viel leicht erfuhr ich niemals, ob ich recht hatte – oder ich erfuhr es morgen früh. Das hing weitgehend davon ab, ob ich die Botschaft auftragsgemäß übermittelte oder nicht. Ich war fast versucht , die Stadt zu verlassen, nach Sanara zurückzukehren und Taman die Sache vorzutragen, dem ich vertraute. Aber mein Pflichtgefühl bewog mich, meine Aufgabe zu erfüllen.
Ich folgte der Hauptstraße, deren Läden bald vornehmer und exquisiter wurden. Auch das Publikum schien hier aus einer an deren Schicht zu kommen. Herrlich geschmückte Gantors brach ten ihre Passagiere hierhin und dorthin und warteten vor den Läden, während der Herr oder die Herrin
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