Venus 04 - Odyssee auf der Venus
gibt man uns dann nur hölzerne Waffen?« fragte ich. »Was kann man mit einem Holzstück gegen einen wilden Raubvogel ausrichten?«
»Wir müssen es eben versuchen«, sagte Kandar. »Die Myposier wollen uns keine Metallspeere geben, weil sie befürchten, das wir dann einen Aufstand machen…«
»Nun, ich hoffe jedenfalls, heute einen Guypal zu Gesicht zu bekommen«, sagte ich. »Ist mir ganz egal, wenn nur diese Langeweile endlich ein Ende hat. Ich hätte gern auch mal eines der Kinder gesehen. Wo sind die überhaupt?«
Kandar lachte und deutete auf den Teich. »Da«, sagte er. »Da sind die Kinder.«
Ich starrte ins Wasser, konnte aber nur die seltsamen Fische erkennen, die ich schon am Vortag bemerkt hatte. »Ich sehe nichts«, sagte ich.
»Aber die Fische – das sind die Kinder«, sagte Kandar.
Ich starrte ihn einen Augenblick überrascht an. »Du machst Witze.«
»Nichts liegt mir ferner«, sagte er. »Diese fischähnlichen Wesen sind wirklich die Kinder von Yron und seiner Frau.«
»Unvorstellbar«, sagte ich.
»Tatsache. Wir Menschen bringen Kinder zur Welt, die uns von Anfang an gleichen. Bei vielen Tieren ist es ebenso. Man che Wesen legen Eier, in denen der Embryo heranwächst. Die myposischen Weibchen bringen Fische zur Welt, die sich erst nach und nach zu Myposiern entwickeln. Wenn du genauer hinsiehst, wirst du erkennen, daß das größte Wesen bereits Hände und Füße hat. Später wirft es dann seinen Schwanz ab, wird zu einem Amphibienwesen und kriecht an Land. Dann ändern sich langsam Kopf und Gesicht, das Wesen bekommt menschliche Züge; es geht aufrecht. Nur die Kiemen behält es neben den normalen Lungen.«
Ich schaute mir einen der hin und her schießenden Fische näher an und entdeckte tatsächlich die Ansätze von Händen und Füßen. Irgendwie schockierte mich dieser Anblick.
»Tut mir leid«, wandte ich mich an Kandar. »Aber ich hatte wirklich angenommen, daß du dich über mich lustig machst. Das sind also die Kinder, die wir bewachen. Papa schien sich um ihre Sicherheit große Sorgen zu machen – aber ansonsten kümmern sich die Eltern wohl kaum um ihre Kleinen.«
»Die Myposier sind nicht in der Lage, Zuneigung zu empfinden. Das Wort Liebe kennen sie nicht. Allerdings ist ihr Schutzinstinkt sehr ausgeprägt – eine rein biologische Reaktion gegen die Rassenausrottung. Sie würden die kleinen Ungeheuer bis zum Äußersten verteidigen.«
»Die Kinder sind noch sehr jung, nicht wahr?« fragte ich.
»Sie sind etwas über ein Jahr alt. Die Weibchen sind nur einmal im Jahr fruchtbar und gebären Tausende kleiner fisch ähnlicher Wesen. Diese schwimmen sofort in den Ozean hin aus, mit dem alle diese Teiche durch unterirdische Kanäle ver bunden sind. Wohin sie verschwinden, ist nicht genau bekannt; wahrscheinlich leben sie draußen im Ozean, von wo die Über lebenden nach etwa einem Jahr zurückkehren. Natürlich werden die meisten von den größten Meeresbewohnern gefressen. Vom letzten Jahrgang sind beispielsweise nur drei übrigge blieben.«
»Aber sind das auch wirklich Yrons Kinder?« fragte ich.
»O ja. Irgendein Instinkt treibt die kleinen Burschen in den richtigen Teich zurück. Und die Mutter weiß ebenso instinktiv, ob es sich um ihr Kind handelt oder nicht. Und wenn sich ein Fremdling in den Teich verirrt, wird er sofort getötet.«
»Damit will die Natur wahrscheinlich die Inzucht verhin dern«, sagte ich.
»Im Gegenteil – sie wird dadurch eher gefördert«, erwi derte Kandar. »Die Myposier tun sich nur innerhalb ihrer ei genen Familien zusammen. Wenn du erst eine Weile hier bist, wirst du die große Familienähnlichkeit feststellen. Du wirst merken, wie sehr Yron und seine Frau einander ähneln – und wenn du ein Clantreffen besuchst, wird das erst richtig deut lich.«
Ich öffnete den Mund, um weitere Fragen zu stellen, als ein schriller Schrei über mir ertönte und das Surren von Flügeln zu hören war.
»Guypals!« brüllte Artol.
11
Guypals! Es waren große Vögel – etwa ein Dutzend. Sie grif fen wild an und versuchten den Teich zu erreichen. Wir stachen mit unseren hölzernen Speeren zu, wehrten sie ab und trieben sie zurück, woraufhin sie sich sofort zu einem neuen Angriff formierten.
Vom Haus kamen Leute gelaufen. Yron und seine Frau schlossen sich der Gruppe an. Alle riefen durcheinander. Den Kriegern mit ihren Metallspeeren wichen die Guypals aus; sie schienen genau zu wissen, daß die Holzwaffen der Sklaven nur wenig Schaden anrichten
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